MVJstories

MVJstories ist ein Blog, auf dem eine kleine Gruppe junger Schriftsteller Auszüge aus ihren Werken veröffentlicht. Feedback ist ausdrücklich erwünscht. Und nun viel Spaß beim lesen!

Dienstag, 30. Dezember 2014

Kälte. Folge 8: Kleine Schlittenfahrt

Glockenbimmeln. Kleine Glöckchen, von Halsbändern baumelnd. Hin und wieder ein Kläffen. Ein Schlitten in voller Fahrt, Hunde davor, schnell und zielstrebig die weißen Massen zu beiden Seiten hinter sich lassend.
Fahrtwind.
Rausch der Geschwindigkeit!
Schnell vorbeiziehende Schneewehen, Hügel und Senken, leichtes Gleiten auf der weißen Oberfläche. Kein lästiges Einsinken, kein mühsames Vorwärtsstapfen, Schritt für Schritt. Nur noch gleiten, fast schon fliegen, Sekunde für Sekunde, Herzschlag für Herzschlag, Meter für Meter. Hinter dem Schlitten keine bis zur Erde aufgewühlte Spur im Schnee, sondern zwei kaum erkennbare Striche, dazwischen die Abdrücke der Hundepfoten. Weit das Land, das sich hinter dem Schlitten erstreckt. Kürzer und kürzer die Entfernung zum einst so fernen Ziel. Fern schien es? Weit? Unerreichbar? Nah, ganz nah ist es nun. Verschobene Perspektive. Ein bisschen Holz und ein paar Vierbeiner machen zur Selbstverständlichkeit, was eben noch unmöglich schien. Die Frage, von der eben noch Leben und Tod abhingen, stellt sich nun nicht mehr. Die Strecke bis zum Ziel hat keine Bedeutung mehr, da ihre Bewältigung nicht mehr zur Debatte steht, sie schon so gut wie bewältigt ist, ja, gedanklich sogar schon bezwungen, so dass die ganze Fahrt nicht mehr aus Notwendigkeit absolviert wird, sondern nur noch zum Spaß, quasi rückwirkend, um etwas zu erreichen, das angesichts seiner Selbstverständlichkeit schon erreicht zu sein scheint.
Auf dem Schlitten Aaron. Lenker seines Hundegespanns, Erlöser und Erlöster gleichzeitig, Retter seiner selbst durch seiner Hände Arbeit und Geschick, dankbar dem Schicksal, stolz auf sich selbst, glücklich über die Bedingungen seiner weiteren Reise, den Fahrtwind, der die ungeschützten Stellen seines Gesichts streift, die unermüdlich laufenden Hunde vor seinem Schlitten, die schnell vorüberziehende Landschaft, vor kurzem noch so feindlich, jetzt nur noch Kulisse seiner rasanten Fahrt, ein Requisit, ihm die Zeit so kurz wie möglich zu gestalten, einzig seiner beeindruckenden Schönheit und Reinheit halber in die Inszenierung aufgenommen, nicht jedoch um irgendwelcher Schrecknisse Willen, die dem Gleitenden, anders als dem Gehenden, nichts mehr bedeuten.
So schwindet das Abenteuer, doch es wächst der Abenteurer. Denn wenn auch beides einander zu bedingen scheint, so ist doch im größten Abenteuer der Mensch nicht abenteuerlich gestimmt. Er ist ängstlich oder pragmatisch, verzweifelt oder berechnend. Die echte Lust am Risiko, die Entdeckerfreude, den vielbeschworenen Forscherdrang spürt er nicht. Schwindet jedoch die Gefahr, so reift im Menschen der Entdecker heran. Was er sieht, sieht er nur noch als sich untertan gemachtes Neuland. Je höher er sich seiner Umwelt überlegen fühlt, desto heldenhafter wähnt er sich. Ein Mann der Tat. Ein Mann der Wissenschaft. Ein Mann der Natur. Ein Mann.
Glockenbimmeln. Hundegebell. Schnee an beiden Seiten, in schneller Fahrt vorüberziehend...

Alles nur ein Tagtraum...
Aaron sah auf seine Füße. Bis zu den Knien steckte er im Schnee. Hinter ihm zog sich die Spur seiner mühsamen Wanderung bis zu dem fernen Punkt, an dem er noch ganz klein die Hütte ausmachen konnte. Er sah nach vorne. Der Wald war ein wenig näher gerückt. Ein wenig.
Er seufzte.

Die letzte halbe Stunde hatte ihm die Vorstellung mit dem Schlitten das Gehen etwas leichter gemacht, aber die Erschöpfung ließ sich nicht wegfantasieren und inzwischen war sein mühsamer Marsch beim besten Willen nicht mehr mit dem Tagtraum vom mühelosen Gleiten in Einklang zu bringen. Kurz blieb er stehen, um zu Atem zu kommen. Dann setzte er sich wieder in Bewegung. Bald würde es dunkel werden. Bis dahin wollte er aber noch ein Stück vorankommen.

Freitag, 26. Dezember 2014

Kälte. Folge 7: Erste Rast und neuer Plan

Als die Sonne hoch am Himmel stand und er schätzte, dass es bald Mittag sein musste – eine Armbanduhr hatte er nicht und sein Handy lag in Einzelteilen irgendwo unter dem Schnee vor der Hütte – beschloss Aaron, eine längere Rast einzulegen. Er war erschöpft und hatte durch die Anstrengungen des Vormittags ordentlich Hunger bekommen. Mit den Füßen trampelte er sich den Schnee zu einem kleinen Platz zurecht, auf dem er nicht bei jedem Schritt einsank. Dann legte er den Rucksack ab und machte ein paar wohltuend unbehinderte Schritte, bevor er die Plane und eine der Decken aus dem Gepäck zerrte, erstere zuunterst legte, um dann die Decke auf die Plane und zuletzt sich selbst auf die Decke fallen zu lassen. Erschöpft lehnte er sich gegen den Rucksack und sah in den Himmel. Strahlendes Blau breitete sich über ihm aus. Nicht ein kleines Wölkchen war zu erblicken. Aaron seufzte laut. Es klang komisch, dieser menschliche Laut mitten in der Stille, die sich um ihn breitete. Irgendwie fremd und unpassend. Noch einmal seufzte er, dieses Mal nicht aus Erschöpfung, sondern, um genauer hören zu können, was ihm an dem Geräusch gerade so komisch vorgekommen war. Einen Moment später fühlte er sich albern und war inmitten der gefährlichen Lage doch froh, dass keiner diese Szene hatte beobachten können.
Ein wenig ärgerlich über sich selbst kramte er im Rucksack und zog schließlich etwas Trockenfleisch hervor, auf dem er lustlos zu kauen begann. Zwischendurch trank er immer wieder aus einer Wasserflasche, die er am Abend mit geschmolzenem Schnee nachzufüllen gedachte. Er überlegte. Wenn er es bis zum Wald schaffen sollte, konnte er sich vielleicht aus ein paar Ästen einen Schlitten bauen. Ob das Ziehen seines Gepäcks leichter sein würde, als das Tragen desselben, war ihm nicht ganz klar, aber er hielt es für möglich. Weit schlimmer war allerdings, dass er selbst immer so tief einsank. Ein großer Teil seiner Kraft ging dafür drauf, immer wieder die Füße aus dem tiefen Schnee zu ziehen und sich, an den noch tieferen Stellen, eine regelrechte Schneise durch die weißen Massen zu bahnen. Gab es dagegen nicht ein Mittel?
Einen Flammenwerfer, dachte er kurz und grinste spöttisch in sich hinein. So ein großes Ding, mit dem man den Schnee einfach weitflächig wegschmelzen konnte. Aber wenn er schon dabei war, sich unmögliche Dinge zu wünschen, dann könnte er auch gleich ein Schneemobil verlangen.
Und eine Karte.
Aaron seufzte. Eine Karte, auf der die Hütte eingezeichnet war, ebenso wie die nächste Ortschaft. Zusammen mit dem Kompass, den er ja besaß, wäre eine solche Karte wahrscheinlich sogar wertvoller als das Schneemobil. Und bei Weitem wertvoller als der blöde Flammenwerfer. Fast musste er lachen, als er wieder an diesen irrsinnigen Wunsch dachte. Nun gut, er war ja auch nicht so ganz ernst gemeint gewesen.

In diesem Moment kam ihm ein Gedanke. Ein guter Gedanke. Ein Gedanke der ihm die ganze Sache vielleicht, vielleicht ein bisschen leichter machen konnte. Was hatten Ureinwohner in solchen Breiten getan, wenn der tiefe Schnee sie am Gehen gehindert hatte? Die Antwort war einfach. Schneereifen! Sie hatten sich Schneereifen gespannt. Warum sollte er das nicht auch versuchen? Sicher, er hatte soetwas noch nie gemacht, aber wenn er beim Wald angekommen wäre und sich sowieso schon ans Schlittenbasteln machen würde – warum sollte er es nicht auch gleich mit ein paar Schneereifen versuchen? Zufrieden mit seinem Beschluss verstaute Aaron wieder alles im Rucksack und setzte seinen Weg fort.

Donnerstag, 25. Dezember 2014

Das Immorium - Folge 3

Der zweite, den sich das Immorium ausgesucht hatte, lebte auf einem Bauernhof. Michael war sein Name. Die meiste Zeit verbrachte er damit die Schafe auf der Weide zu hüten. Er war im Gegensatz zu dem Jäger sehr interessant denn er war gerade einmal zwölf Jahre alt und hatte die Angst vor dem Monster unter seinem Bett noch kauf überwunden. Dennoch war er mutig. Sein Vater behauptete, er sei der mutigste Junge in der Stadt und das erzählte er jedem, der es hören wollte, nun, oder auch nicht hören wollte.
Doch es war nicht verkehrt was er sagte. Auch wenn es ihn manchmal besorgte, wie der Junge mit seinen Ängsten umging. Anstatt zu seinen Eltern ins Bett zu kommen, schlief er eine Woche unter seinem und als man ihm davon erzählte, dass die Scheune verflucht sei, setzte er sich auf einen der großen Heuballen und wartete auf die Monster.
Michael war besonders. Wenn er nicht gerade seinem Vater half oder auf den Feldern war, dann hörte er sich in den Kneipen der Stadt die Geschichten der älteren an, die im Krieg gekämpft hatten. Und wenn ihm danach war, erzählte er Geschichten von Wesen, die im Sumpf lebten. Er erzählte dann oft von Waldelfen, die das Böse von Blokhel fern hielten. Trotz seines jungen alters hörten ihm selbst die erfahrensten Männer aufmerksam zu denn dieser Junge hatte die Gabe Geschichten zu erzählen als hätte er sie selbst erlebt obwohl er selbst nie eine große Rolle in ihnen spielte.
Selbst der Jäger, der sonst mit Argwohn allen Menschen gegenübertrat, sagte dann, wenn Michael wieder einmal eine Geschichte erzählt hatte: „Wenn dieser Junge älter ist, werde ich ihm einen kräftigen Schnaps ausgeben.“
Michael hielt jedoch nicht viel von dem Mann denn er hatte sich darauf spezialisiert Monster zu jagen wo er doch der Meinung war, dass die Elfen sich schon um die Sicherheit der Stadt bemühen würden.
Eben diese Besonderheiten weckten das Interesse des Immoriums. Es dachte sich, dass es mit diesem Jungen besonders viel Spaß haben konnte, da er eine so blühende Phantasie besaß. Und so lauerte es ihm auf. An einer ganz besonderem Stelle, denn es wusste, wovor der Junge Angst hatte, denn es hatte ihn beobachtet und fest gestellt, dass er auf dem Weg nach Hause, auf dem er an der alten Bibliothek vorbei kam, immer in der nähe dieses alten herunter gekommen Hauses, seinen Schritt beschleunigte.
Und so lauerte es am Eingang der Bibliothek und als der Junge vorbei kam, öffnete es leicht die Tür. Nur einen Spalt, doch es reichte um dem armen Michael einen schrecken einzujagen. Der Junge blieb stehen und schaute, erstarrt wegen des Schauers, auf die Tür. Dann schloss sich die Tür, doch der Junge blieb stehen. Das Immorium stellte sich ihm in den Weg.
Das besondere an diesem Immorium ist, dass man es nicht sehen kann. Ein Mensch nimmt es wahr doch dann ist es häufig schon zu spät. Uns geht es da besser denn es kann nicht in unsere Dimension eingreifen doch den Jungen hätte es nun schon ohne Probleme verspeisen können.

Michaels Blick wanderte von der Tür auf das ihm nicht sichtbare Immorium. Er spürte es und plötzlich verließ ihn all sein Mut.

Dienstag, 23. Dezember 2014

Kälte. Folge 6: Überall Schnee...


Das Gehen gestaltete sich schwerer, als er es sich vorgestellt hatte. Bei jedem Schritt sank er fast bis zu den Knien in den Schnee. Bereits nach wenigen Minuten musste er stehen bleiben, um wieder zu Atem zu kommen. Er blickte zurück. Eine Spur zerwühlten Schnees markierte seinen Weg. In wenigen hundert Metern Entfernung stand die Blockhütte. Auf der anderen Seite schien der Wald noch kein Stück näher gekommen zu sein. Aaron aber keuchte schon wie nach einem längeren Dauerlauf. Aber es half nichts. Er musste hier weg. Und durch diesen Schnee in Richtung Süden zu laufen war die einzige Möglichkeit, diesen Ort zu verlassen, die sich ihm bot. Missmutig machte er sich wieder auf den Weg.
Neben dem Schnee gab es noch andere Dinge, die Aaron auf seiner Wanderung erheblich behinderten. Das eine war der Rucksack. Nicht, dass an dem Rucksack an sich etwas schlecht gewesen wäre. Im Gegenteil, der Rucksack war eine große Hilfe, da er durch verschiedene Bänder und Schnallen das Gewicht des Gepäcks gut auf Rücken und Schultern verteilte. Leider blieb das Gepäck dabei allerdings genauso schwer. Beim ewigen Kampf durch den Schnee hätte Aaron sich gewünscht, nicht auch noch zehn bis fünfzehn Kilo Ausrüstung mit sich herumschleppen zu müssen. Wie das meiste, was Aaron mit sich führte, hatte der Rucksack seinem Bruder gehört. Aaron selbst hatte nicht damit gerechnet, eine Survival-Ausrüstung zu brauchen. Er hatte vorgehabt, Erik zu helfen, so schnell es ging, und dann sofort wieder den Heimweg anzutreten. Das einzige von seinen momentanen Besitztümern, was wirklich ihm gehörte, war daher die Kleidung, die er am Leib trug.
Diese Kleidung war das zweite Problem. Klar, er brauchte die dicken Sachen, um bei den extrem niedrigen Temperaturen nicht zu erfrieren, aber bei Anstrengungen wie dieser Wanderung kamen einem Gedanken an die Beweglichkeit und Leichtigkeit eines T-Shirts verlockend vor, vollkommen egal, wie kalt es um einen herum war.
So wanderte Aaron nun einige Stunden. Etwa alle zehn Minuten machte er kurz Pause, um zu Atem zu kommen. Er war eigentlich kein unsportlicher Mensch und wenn die letzten Tage ihm auch psychisch alles abverlangt hatten, was er zu bieten hatte, so konnte von körperlichen Herausforderungen doch keine Rede sein. Er war gut ausgeruht und ertappte sich manchmal sogar dabei, wie er für den einen oder anderen Moment vergaß, warum er eigentlich hier war, und die Bewegung geradezu genoss.

Mit der Erkenntnis, kurz abgeschaltet zu haben, kam allerdings auch immer wieder der Gedanke an die Bedeutung dieser Wanderung. Es ging um Leben und Tod. Kein harmloser Winterspaziergang, keine Abenteuer-Bergwandertour, nicht mal die Aktionen naturverliebter Extremsportler konnten hiermit mithalten, denn letztere hatten sich zumindest angemessen vorbereitet und eine Ausrüstung dabei, von der sie wussten, dass sie ihnen genügen würde. Außerdem hatten sie Ahnung von dem Gebiet, in das sie gingen. Nichts davon konnte Aaron von sich behaupten. Seine Chancen, das fiel ihm immer wieder ein, waren alles andere als gut. Und dabei ging es bei diesen Chancen nicht einmal um die Ziele eines Extremsportlers, um irgendeinen Rekord oder so, sondern nur um das einfachste, das grundsätzlichste Ziel, das man sich setzen konnte: das eigene Überleben.

Sonntag, 21. Dezember 2014

Die Frage des Alten

„Wer bist du?“ fragt mich der alte Mann
Ich setze zu einer Antwort an
doch plötzlich fang' ich zu denken an
Wer bin ich?

Ich weiß meinen Namen, das ist nicht das Problem
viel schwieriger ist, drüber klar zu sehen
ob denn dieser Name wirklich sagt, wer ich bin
(oder was, fährt es mir hierbei kurz durch den Sinn)
Was drückt er aus? So frage ich mich
und die Frage an sich ist zu schwierig für mich
ich vermute, dass Namen
die wir uns einst gaben
Eigentlich keine Bedeutung haben.

Doch wer bin ich dann? Nun, zunächst bin ich Sohn
bin ich Freund und Gefährte
für manch einen „Kollege“
bin ich Kunde und Käufer
Gruppenmitglied und -leiter
bin ich Bruder, Verwandter,
für die meisten Unbekannter
doch all das kann mir leider nichts darüber sagen
wie ich bin, was mich ausmacht, all diese Fragen
Will ich also Antworten finden
muss ich sie wohl anders ergründen.

Im Grunde bin ich doch nur der, der ich bin
so ist es schön einfach, ja, so macht es Sinn
ich bin die Gesamtheit all jener Dinge
die ich mit mir in Verbindung bringe
und welche das sind, ja, was meinst denn du?
Ich bin jetzt mal ruh-ig, ich sag' nichts dazu
dann kann jeder frei
nach Gusto entschei-
den, wer oder was ich für ihn wohl sei.

Doch halt, leider bin ich nicht nur, wer ich bin
denn dann wär' ich nur jetzt und ich glaube ich fin-
de, ich bin auch ein bisschen, was ich einmal war,
denn auch die Vergangenheit hat mich geprägt.
Oder, um genau zu sein, auf die Gefahr
hier zu weit zu geh'n: sie ist das, was mich belebt
So schöpfe ich Kraft aus dem, was ich geseh'n
und gehört und gefühlt, dabei muss ich gesteh'n,
dass Erfahrungen, die ich mal früher gemacht
habe mich zu dem, was ich heut' bin gebracht
haben und ich daher mit dem Schluss fortfahr':
Ich bin, was ich bin – und ich bin, was ich war!

Doch auch hier ist die Frage mitnichten geklärt,
denn wenn man hier noch zu überlegen fortfährt
denkt man, wenn man was war schon bedacht hat prompt:
Bin ich nicht auch, was ich werde, was kommt?
Na klar, ich hab es noch nicht erlebt
ich kann noch nicht sagen, wohin alles strebt
doch wonach ICH strebe,
wofür ICH lebe
Das kann ich sagen, ich finde, das zählt.

Denn wenn ich auch Kraft tanke aus dem was war
So liegen die Ziele, die ich mir setze
doch stets in künftigen Zeiten, ich schätze
das, was mich antreibt ist zukünft'ge Gefahr
und niemals die gestrigen Schätze.

Das heißt, was ich bin ist nicht nur was ich bin
sondern auch was ich werde und das was ich war
was ich nächstes Jahr fühle, was ich vorgestern sah
und was grade passiert, in mir drin.

Doch da ist noch mehr
denn von irgendwoher
hör ich stimmen behaupten, dass ich anders wär'
denn meine Bekanntschaft,
meine ganze Verwandtschaft
kannte mich etwas anders, jeder aus dieser Mannschaft.

Wer ich bin, wer ich war und wer ich sein werde
sagt nichts aus über mich
denn ich weiß, eigentlich
sieht ein jeder mich anders auf dieser Erde
und keiner sieht mich.

Ich sehe dem alten Mann in die Augen
und weiß nicht, was ich sagen soll
mein Herz ist zum Bersten voll
ich sehe ihn an, und ich kann es nicht glauben,
da liegt er im Bett im steril-weißen Raum
wirkt zufrieden und heiter und ich bemerke kaum
die leichte Verwirrung, er öffnet den Mund
neugierig-freundlich mustert er mich und
wiederholt seine Frage:

„Wer bist du?“

ich sage

mit belegter Stimme, sie zittert schon:

Alles in Ordnung. Ich bin's, dein Sohn.

Freitag, 19. Dezember 2014

Kälte. Folge 5: Der erste Schritt

Der nächste Morgen brachte besseres Wetter und damit die Entscheidung. Aaron zog seine warmen Sachen an, steckte noch dies und das in den Rucksack, was er am Abend zuvor noch gebraucht und daher nicht eingepackt hatte, und verließ die Hütte.
Vor ihm streckte sich eine weite, weiße Welt. Der Schneesturm hatte die gesamte Landschaft verändert. Neue Schneehügel waren entstanden, andere abgetragen worden, und die Oberfläche der frischen Schneeschicht lag rein und unberührt vor ihm. Kurz wurde in ihm die Art Ergriffenheit und Ehrfurcht wach, die ihn als Kind immer befallen hatte, wenn über Nacht der erste Schnee gefallen war und am Morgen die ganze Welt von einer unangetasteten, jungfräulichen Schneeschicht überzogen war. Ein Gefühl lustvoller Zerrissenheit hatte damals dazugehört, die Gewissheit, diese Reinheit genau so betrachten und erhalten zu wollen, während gleichzeitig der Wunsch wuchs, sie mit den eigenen Füßen zu zerstören, bevor es jemand anders tat und man nicht mehr der erste wäre, der seine Spuren in den frischen Schnee zieht.
Aaron riss sich gewaltsam aus seinen Gedanken und schaute sich noch einmal um. In einer Richtung konnte er fern am Horizont einen Höhenzug erkennen, in einer anderen einen dunklen Streifen, der vermutlich ein Wald war. In jeder anderen Richtung erstreckte sich jedoch die ewig gleiche weiße Hügellandschaft bis in die Unendlichkeit. Aaron wusste nicht mehr genau, woher er gekommen war. Eine ungefähre Richtung war zwar anhand der Lage der Hütte nicht schwer auszumachen, aber die Route, die er mit dem Schneemobil gefahren war, war nicht einfach wie ein gerader Strich auf der Landkarte verlaufen. Er hatte genaue Anweisungen von dem Mann bekommen, der ihm das Fahrzeug geliehen hatte. Ein paar Landmarken hatte er dabei beachten müssen, aber auch Streckenangaben, die er mit seiner aktuellen Ausrüstung nicht messe konnte. Er erinnerte sich zwar noch, dass ein Wald eine Rolle gespielt hatte, aber der, den er in der Ferne erahnen konnte, zog sich über so viele Kilometer hin, dass ihm dieses Wissen trotzdem keine Gewissheit über die einzuschlagende Richtung gab. Die Spuren, die er und der Mörder im Schnee hinterlassen hatten, waren durch den Schneesturm vollständig ausgelöscht, ebenso wie alle Bodenformationen, die einigermaßen über den einzuschlagenden Weg hätten Auskunft geben können. Wo lang sollte er also gehen?

Schließlich entschied er sich dafür, einfach nach Süden zu marschieren. Irgendwo in grob südlicher Richtung musste es Siedlungen geben, irgendwo weiter südlich als hier war auch der Ort, aus dem er hierhergefahren war und wenn man nach Süden ging, kam man irgendwann an Ausläufer des großen Waldes, der dort am Horizont zu sehen war. Er hatte einen Kompass, jetzt hatte er auch eine Richtung. Es konnte losgehen. Aaron schaute ein letztes Mal auf die kleine Blockhütte. Er fröstelte. Dieses Haus mochte noch so friedlich aussehen, wie es da im tiefen Schnee stand und Wärme und Schutz versprach, für ihn war es der wohl schrecklichste Ort auf dieser Erde. Er spürte förmlich, wie die aus Gründen überlebenswichtiger Gedanken zeitweise zurückgedrängten Erinnerungen aus seinem Unterbewusstsein hervorzubrechen drohten, um endlich eine angemessene emotionale Reaktion zu fordern. Schnell drehte Aaron sich weg und sah in die Richtung, die er mangels besseren Wissens zur richtigen erklärt hatte. Er atmete tief durch – und tat den ersten Schritt.

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Das Immorium - Folge 2

Das Immorium hatte die Angewohnheit seine Ziele genau zu observieren bevor es ihre Seelen fraß oder was so ein Immorium nun einmal tat. Doch unterschied es genau zwischen Spielzeug und Nahrung denn das Spielzeug musste intelligent genug sein, seine Anwesenheit zu bemerken. Oft spukte es über Tage oder Wochen im Haus eines seiner Ziele herum. Es war auch nicht ausgeschlossen, dass das Immorium mehrere Ziele zugleich hatte.
Ich möchte nun nach und nach die Leute vorstellen, die sich das Immorium in dieser Stadt ausgeschaut hatte.
Die erste Person war ein Mann. Er war ungefähr fünfzig Jahre alt und bekannt unter dem Namen: Der Jäger
warum man ihn so nannte, lässt sich schnell erschließen denn seine Berufung war es zu jagen. Doch jagte er nicht wie manche nun vielleicht denken mögen Rehe oder Hirsche. Nein, er war ein Monsterjäger. Es war allein diese Tatsache, die es dem Immorium umso amüsanter machte ausgerechnet ihn zu beobachteten.
Der Jäger saß auf seinem Stuhl vor seinem Schreibtisch in einer kleinen Hütte am Rand der Stadt. Vor sich ausgebreitet hatte er eine reihe von Schusswaffen. Von Armbrüsten bis hin zu Revolvern war alles dabei. Sein Stolz war der Revolver des Detektivs Nathan. Eben jenem Nathan, der in Gechra übersinnliche Fälle gelöst hatte. Der Revolver hatte laut dem Jäger eine eigene Seele. Doch dieses Schmuckstück bedeutete ihm zu viel. Oft benutzte er eine herkömmliche Armbrust.
„Sehr viel Bums und kein Pulver das Nass werden kann.“ sagte er oft. Man muss dazu wissen, dass der Jäger der Meinung war, man könne nur Nachts und noch besser bei Regen jagen.
Selbstverständlich wusste es das Immorium besser. Man jagte es am besten gar nicht den es war sinnlos. Es versteckte sich unter dem Tisch und mit einem Wink beförderte es eine der altertümlichen Pistolen zu Boden. Der Jäger, welcher gerade damit beschäftigt gewesen war Nathans Revolver zu polieren, erschrak. Doch nicht so wie eine Frau, die eine Ratte auf ihrem Toast findet – im übrigen kann auch dafür das Immorium verantwortlich sein – nein er erschrak wie es der Jäger nun einmal tat. Sofort war er auf gesprungen und richtete den Revolver in die Richtung, aus der er das Geräusch gehört hatte. Als er bemerkte, dass nur eine der Waffen vom Tisch gestürzt war, entspannte er sich, hob die Pistole auf und platzierte sie ordentlich auf dem Schreibtisch.
Kurz darauf sprang das Fenster auf und die Gardine wehte in das Zimmer. Die wohlige vom Ofen ausgehende Wärme wich der eisigen Kälte der Nacht weshalb der Jäger schnell das Fenster schloss. Ihm fiel nicht ein, dass dies das Werk eines Monsters sein konnte und eben weil er nichts ahnte machte er sich wieder an die Arbeit. Doch plötzlich schien etwas nach dem Poliertuch zu greifen und zu versuchen es dem Jäger aus der Hand zu reißen. Diesmal begriff er den Wink, ließ das Tuch los und feuerte einige Kugeln unter den Tisch. Doch da war nichts. Nicht einmal das Tuch.

Der Jäger schob die Ereignisse auf die Uhrzeit und seine Müdigkeit und begann sich für die Nacht fertig zu machen. Doch ständig fühlte er sich beobachtet. Er wusste nicht woher das Gefühl kam doch es gefiel ihm nicht. Und als er sich in sein Bett legte, die Denke bis zum Hals hoch gezogen, damit er nicht fror, schien jemand diese Denke langsam weg zu ziehen. Der Jäger hielt die Augen geschlossen doch er spürte, wie sich etwas neben ihn legte.

Montag, 15. Dezember 2014

Kälte. Folge 4: Ein Ende. Ein Anfang?

Ein paar gebrüllte Worte.
Dann der Schuss.
Für Aaron war es der Startschuss. Als habe er nur auf diesen Moment gewartet rannte er nach draußen, schwang sich auf das Schneemobil, mit dem er gekommen war und versuchte, zu starten. Es ging nicht. Der Kerl musste das Ding sabotiert haben. Schnell sprang Aaron ab und versteckte sich hinter einer Schneewehe. Jetzt schnell das Handy hervorkramen und Hilfe holen... Aber wo war das Handy? Er musste es verloren haben. Aaron wimmerte vor sich hin. Der fremde Mann kam aus dem Haus. Er sah sich kurz um, entdeckte wohl auch Aarons Spuren im Schnee, schien aber nicht viel Lust zu haben, ihnen zu folgen. Er schien aber mit der Möglichkeit zu rechnen, dass er beobachtet wurde. Jedenfalls zog er – Aaron sog scharf Luft ein, als er es sah – das verlorene Handy aus der Tasche, sah sich noch einmal um, als vergewissere er sich der Aufmerksamkeit seines Publikums, entfernte dann den Akku, brach schließlich das ganze Gerät in der Mitte durch und ließ die Einzelteile in den Schnee fallen. Schließlich verschwand er hinter der Hütte. Aaron hörte einen Motor aufjaulen und im nächsten Moment kam ein zweites Schneemobil hinter der Hütte hervor und raste in Richtung der nächsten Ortschaft davon. Er und... war das eine weitere Person auf dem Schneemobil?
Erst einige Minuten später fiel Aaron auf, dass er nicht dort draußen hocken bleiben konnte. Er musste nach Erik sehen! Er sprang auf, lief hinunter zu der Hütte, riss die Tür auf, die zu der kleinen Schlafkammer führte...
Die Einrichtung war unbeschädigt. Nichts deutete auf einen Kampf hin. Nichts, bis auf die Blutlache, die den halben Fußboden bedeckte und der Mann, der auf dem Bett saß, den Rücken an die Wand hinter sich gelehnt, und dessen Augen eben, im Angesicht seines erschrockenen Bruders, brachen. Die Hände, die sich auf die Wunde in seine Bauch gepresst hatten, lösten sich. Ein Finger zuckte und die Augenlider flatterten. Danach nichts mehr. Einzige Bewegung und einziges Geräusch zugleich war das vom Bett auf den Boden tropfende Blut. Aaron drehte sich um, lief aus dem Haus und erbrach sich in den Schnee.

Auch jetzt hatte er wieder einen schlechten Geschmack im Mund. War es seine Schuld, dass es so weit gekommen war? Hätte er dem Drängen seines Bruders nachgeben sollen, schon am Abend seiner Ankunft wieder zurückzufahren? Dem Wunsch des Bruders vertrauen, die Gründe später erforschen? Und einfach losfahren, in die Dunkelheit hinein? Irgendwie hätten sie den Weg schon gefunden. Hätte er dieses Ende verhindern können?
Noch einmal sah er in die toten Augen, stellte sich dem Blick, der leer war, und ihm trotzdem direkt aus dem Jenseits zu kommen schien. Schließlich wandte er sich um und kehrte zurück in das andere Zimmer, das Reich der Lebenden in diesem Blockhaus. Des Lebenden.

Er wollte weg hier. Nur noch weg von diesem schrecklichen Ort, aus der Erinnerung löschen, was hier geschehen war, ungeschehen machen, was er sein Leben lang nicht würde vergessen können. Aaron stellte sich ans Fenster. Der Schneesturm war etwas schwächer geworden. Die Frage blieb die selbe.

Gehen oder bleiben?

Sonntag, 14. Dezember 2014

Himmelswasser

Drinnen saß ich. Ein müder Mensch. Ein wenig gelangweilt. Und ich wartete darauf, dass die Zeit verging. Eine Minute vergeht unheimlich langsam, wenn man sie dabei beobachtet. Fast war es, als schämte sie sich. Die Minute in meinem Blickfeld. Auf dem kleinen Ziffernblatt vor meiner Nase.
Beim Reden ließ ich unverzüglich den Blick schweifen. Der Himmel war seit einigen Stundenquartalen beeindruckend dunkel geworden dafür, dass wir Juni hatten und frühen Abend. Das war ungemein spannend betrachtete man den Rest des Vorgehens um mich her. Auf der Arbeit rede ich viel. Nach wenigen Malen kennt man den Text. Dann bleibt Zeit, den Himmel zu betrachten.
Wie die Wolken sich bewegten... Sie tanzten über uns zusammen, als wäre ihnen die Zeit ein nichts, denn sie waren unheimlich schnell.
Unwetterwarnung. Ja.
Wie kann ich da so apathisch sein? Bei Unwetter?
Wieso heißt es überhaupt so?
Unwetter. Das klingt nach Unheil. Oder... Oder Unmensch. Oder... Untergang. Nagut. Das vielleicht nicht.
"Dann kann man da wohl nichts machen", sage ich zu meinem Telefongesprächspartner, der mich nicht sieht und somit auch nicht, dass mir all das, was er sagt, völlig egal ist, "ich wünsche Ihnen trotzdem noch einen-", klick, "-schönen Abend. Arschloch."
Hoffentlich hat der Chef das nicht gehört.
Untier.
Aber der weiß, dass ich ein loses Mundwerk hab.
Unausgeglichen. Nee. Das isn Adjektiv.
Ich denke nach. Alle negativierten Wörter, die mir einfallen, besitzen ein anderes Präfix. Irreal. Desinteresse. Dehydriert. Oder Suffixe. Bedeutungslos. Schon wieder nur Adjektive. Bedeutungslosigkeit. Aber das hat eigentlich weder negativierendes Prä- noch Suffix.
Ich schiebe mein Headset zurecht und seufze, dann schweift mein Blick wieder nach draußen.
Mit einem Mal bricht das Wasser aus dem Himmel und klatscht gegen die Scheiben des Raumes, in dem ich mit ca 150 Kollegen sitze. Ich höre es auf die Straße klatschen, während einige Kollegen in Eile die Fenster schließen und beobachte fasziniert die Wasserfälle da draußen.
Unwetter...
Drinnen sitze ich.
Und alles, was ich mir wünsche, ist da draußen zu sein. Und mir alles runterwaschen zu lassen. Alles. Vom Himmelswasser. Vom Unwetter. Das ich so liebe.

Lady Mary

Kälte. Folge 3: Der Weg in die Einöde

Angefangen hatte alles, als Eriks Freundin Elisa diese verrückte Idee mit dem Abenteuerurlaub gehabt hatte. Er und sie. Eine kleine Hütte mitten im Nirgendwo. Drei Wochen lang. Wäre das nicht toll? Erik war nicht so begeistert gewesen, aber Elisa hatte gebettelt und gebettelt und schließlich hatte er nachgegeben. Vor etwa einer Woche war die Zeit dann gekommen. Erik brach auf. Allein. Elisa, so erzählte er, wolle ihn in der Hütte treffen. Keiner war davon ausgegangen, innerhalb der nächsten drei Wochen etwas von den beiden zu hören.
Doch schon am nächsten Tag hatte Aaron eine SMS von Erik erhalten. Brauche Hilfe. Komm sofort her. Beeil dich!
Erik neigte nicht zur Hysterie, und da Aaron das wusste, war er tatsächlich umgehend aufgebrochen, hatte sich im letzten Dorf auf seinem Weg ein Schneemobil gemietet und war damit einen weiteren Tag später zu der kleinen Hütte gefahren, in der sein Bruder auf ihn wartete. Der war inzwischen mit den Nerven vollkommen fertig. Wäre es nach ihm gegangen, dann hätten sich die beiden noch in der selben Nacht auf den Rückweg gemacht, aber Aaron befürchtete, in der Dunkelheit den Weg nicht mehr zu finden, und so quartierten sie sich für die Nacht noch einmal in der Hütte ein. In dieser Nacht erzählte Erik seinem Bruder auch endlich, warum er so schnell hatte kommen müssen.
Erzählte von seiner eigenen Ankunft, zwei Tage zuvor. Wie er sich von einem Bewohner des nächsten Dorfes hatte hierherfahren lassen. Wie er dann in der Hütte auf Elisa gewartet hatte, bis tief in die Nacht hinein, versucht hatte, sie anzurufen, was ihn nicht weiter als bis zu ihrer Mailbox brachte.
Schließlich erzählte er von dem Schatten, den er draußen am Fenster hatte vorbeihuschen sehen. Ein menschlicher Umriss, nur flüchtig sichtbar. Erik hatte versucht, ihn hereinzurufen, aber niemand hatte geantwortet.
In diesem Moment war ihm die ganze Sache unheimlich geworden. Hinauszugehen und nach dem Unbekannten zu suchen hatte er sich nicht getraut und so hatte er den Rest der Nacht auf der Couch sitzend verbracht, ständig die Fenster im Blick. Noch einige Male hatte er eine Gestalt vorbeihuschen sehen. Am Morgen hatte er dann Aaron angeschrieben.


Nach dieser Geschichte war es auch Aaron unheimlich geworden, und er war bereits kurz davor, doch für einen sofortigen Aufbruch zu plädieren, als sich plötzlich jemand an der Tür zu schaffen machte. Die beiden Brüder waren aufgesprungen, aber es war bereits zu spät. Die Tür öffnete sich mit einem lauten Krachen und ein Mann mit einer Pistole stand da, augenscheinlich wütend und bereit, das Ding in seiner Hand auch zu benutzen. Die Worte, die er brüllte, hatte Aaron gar nicht richtig wahrgenommen. Die große, hässliche Waffe in der Hand des Unbekannten war alles, was er in diesem Moment sah. Erik war etwas schneller und huschte in das Nebenzimmer. Der Mann lief ihm hinterher und schloss die Tür hinter sich.

Samstag, 13. Dezember 2014

Kälte. Folge 2: Ein Raum voller Fragen

Die Luft, die ihm entgegenschlug, war kalt. Er sah sich um. Im Dämmerlicht, das durch das Fenster über dem Schreibtisch hereinfiel, der an der linken Schmalseite des engen Raumes stand, konnte er erkennen, dass sich nicht viel verändert hatte. Ganz wie erwartet. Noch immer lag ein altes Notizbuch auf dem Schreibtisch. Eine Kerze stand daneben, natürlich nicht entzündet. Neben dem Schreibtisch gab es nur zwei Möbelstücke in dem kleinen Raum. Ein wackliger Stuhl stand vor dem Schreibtisch. Auf der anderen Seite stand ein Bett. Und auf dem Bett saß ein Mann. Mit starrem Blick musterte er Aaron. Aus dem Fenster über seinem Kopf stäubte Schnee über ihn und den Fußboden, wo er eine feine, weiße Schicht bildete.
„Mist“ entfuhr es Aaron. Mit eiligen Schritten ging er hinüber und schloss das Fenster.
Dann betrachtete er den Mann auf dem Bett.
Seine Wangen waren eingefallen, sein Gesicht bleich. Der dunkle Spitzbart war vereist, ebenso der Schnurrbart. Hatte es von der Tür aus noch so gewirkt, als betrachte er jeden Neuankömmling mit leichtem Erschrecken, so konnte man von Nahem erkennen, dass die gebrochenen Augen gar nichts fixierten. Der Mann war tot. Seine Hände, die kraftlos in seinem Schoß lagen, waren dunkel von etwas, das wohl sein Blut war, auch wenn man es nicht mehr auf den ersten Blick erkannte. Aaron wusste genau, dass diese Hände versucht hatten, die Wunde zu schließen, die sich im Bauch des Mannes aufgetan hatte, die Schusswunde, die ihn letztlich das Leben gekostet hatte, doch die Wunde war nicht mehr zu sehen, versteckt unter hereingewehtem Schnee, und auch der Schütze war längst verschwunden.
Aaron schauderte. Oft hatte er in den letzten Tagen daran gedacht, hinüberzugehen und diese Augen zu schließen, die ihn nun so vorwurfsvoll anstarrten. Nie hatte er es jedoch über sich gebracht, den toten Körper noch einmal zu berühren. Den Toten, der einst sein Bruder gewesen war. Auch jetzt gelang es ihm nicht, seine Scheu zu überwinden. Hastig tastete er mit den Händen die Seite des Körpers ab, fand in einer Tasche den Kompass und am Gürtel das Messer. Er nahm beides an sich. Dann sah er in das tote Gesicht. Wie hatte es dazu kommen können? Was war der Grund dafür, dass er nun keinen Bruder mehr hatte, dass er allein am Ende der Welt in einem von Schneestürmen umtosten Blockhaus saß und sich darauf vorbereitete, sehenden Auges in sein eigenes Verderben zu rennen?
Da war diese Frau gewesen. Ob sie das hier geplant hatte? Hatte sie Erik umbringen wollen? Dabei hatten doch alle, er selbst, Aaron, inbegriffen, ihr geglaubt. Fast ein Jahr war sie schon mit Erik zusammen gewesen... Alles nur gespielt? Über einen so langen Zeitraum? Warum? Es hätte doch leichter, so viel leichter sein können.

Nein, als sie ihn gebeten hatte, mit ihr auf diese Reise zu gehen, hatte sie etwas anderes im Sinn gehabt. Er hatte nicht sterben sollen, etwas war schief gelaufen. Aber was? Aaron konnte es sich nicht erklären. Genausowenig, wie er sich einen Reim auf all die anderen Dinge machen konnte, die in letzter Zeit passiert waren.  

Freitag, 12. Dezember 2014

Kälte. Folge 1: Gehen oder bleiben?

Gehen oder bleiben?
Raus oder rein?
Die Entscheidung war nicht so leicht, wie sie einem auf den ersten Blick vorkam. Mit Mühe blinzelte Aaron durch den schmalen Türspalt hinaus in den Schneesturm. Einige Tage lang ging das jetzt schon so. Die Sichtweite betrug nicht mehr als ein paar Meter, überall fiel der Schnee, kaum noch als Flocken, sondern vielmehr als eine weiße Wand wahrnehmbar, die sich fast waagerecht an ihm vorbeischob. Nur manchmal waren schwach die Umrisse des nächsten Hügels zu erkennen, zumeist sah man aber nur diffus changierendes Weiß.
Langsam wurde es kalt an den Füßen. Aaron senkte den Blick und bemerkte, dass der Schnee, der durch den schmalen Türspalt geweht worden war, einen kleinen Haufen auf seinen Füßen gebildet hatte. Ganz fein war er sogar etwa zwei Meter in den Raum hinein gestäubt. Schnell schloss er die Tür, kehrte den Schnee auf und entsorgte ihn in der Spüle. Es war ziemlich kalt in der kleinen Blockhütte. Aaron kontrollierte den Ofen und stellte fest, dass er fast ausgegangen war. Schnell legte er ein paar Scheite nach und sorgte dafür, dass sie Feuer fingen. Dann zog er sich wieder die dicke Jacke und die Stiefel über. Es war unbequem, dauernd die unförmigen Wintersachen zu tragen, aber das Brennholz war knapp und ohne dicke Kleidung ließ es sich hier drin nicht lange aushalten. Ein Grund, diesen Ort bald zu verlassen. Wenn Brennmaterial und Nahrung erst einmal alle waren, würde er hier nicht mehr lange überleben können. Die kleine Blockhütte bot Schutz vor dem Wind und der Feuchtigkeit, nicht jedoch vor der Kälte, zumindest nicht ohne funktionierenden Ofen. Er setzte sich ans Feuer.
Also aufbrechen?
Zunächst war daran nicht zu denken. Mitten im Schneesturm loszuwandern würde einem Selbstmord gleichkommen. Dort draußen wartete die Wildnis, tage-, vielleicht wochenlang würde er sich durch die menschenlose, eiskalte Einöde schlagen müssen, bis er überhaupt die Chance hatte, auf eine Siedlung zu stoßen. Es war also unwahrscheinlich genug, dass er es bei freundlicherem Wetter schaffen würde. Unter den augenblicklichen Bedingungen war es ein Ding der Unmöglichkeit.
Er würde also warten müssen. Wenn es aber so weit war, würde es gut sein, sofort aufbrechen zu können. Aaron erhob sich. Gleich zu packen kam ihm wie eine gute Idee vor. Verschwommene Vorstellungen von jederzeit bereiten Pfadfindern geisterten ihm durch den Kopf. Er war mitten in der Wildnis. Er musste bereit sein, ihr zu begegnen. Mit schnellen, aber keineswegs hastigen Schritten ging er durch den Raum und sammelte ein, was ihm würdig erschien, mitgenommen zu werden. Mehrere Wolldecken, ein Schaffell, das auf dem abgewetzten Sofa herumgelegen hatte, Utensilien, um ein Feuer zu entzünden, ein zerbeulter Kochtopf, jede Menge Trockenfleisch und die paar Orangen, die sie dabeigehabt hatten. Eine kleine Plane fand sich zusammen mit einem wirren Knäuel aus Schnüren verschiedener Länge. Nachdem Aaron noch einige Zeit damit zugebracht hatte, verschiedene Kleinigkeiten in den großen Rucksack zu packen und einige wieder herauszunehmen, wenn sie ihm doch nicht mehr so nützlich vorkamen, blieb er schließlich stehen. Das Messer. Das Messer und der Kompass. Beides würde er brauchen. Aber beides befand sich im Nebenraum. Zischend ließ er Luft durch die Lippen entweichen. Er wollte nicht da rüber. Seit er hier allein war hatte er den zweiten Raum der Blockhütte nicht mehr betreten. Er wollte nicht sehen, was sich dort befand, wollte sich nicht daran erinnern, was dort vorgefallen war.
Messer und Kompass.
Er würde sie brauchen.

Noch einmal atmete Aaron tief durch. Dann ging er hinüber zu der Tür, öffnete und trat ein.

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Das Immorium - Einleitung

Ich habe nicht vor diese Geschichte über das Grauen anderer Dimensionen mit dem altbeliebten Satz: "Es war einmal." Es wäre letzten Endes ohnehin eine Lüge um schwache Gemüter und Kinder zu beruhigen. Denn ich vermag es nicht zu behaupten, dass diese Geschichte Gewesen ist, viel mehr würde ich behaupten: Sie ist präsent. Und das in multipler Weise, denn einerseits ist es eine Geschichte, die sich in diesem Moment abspielt oder möglicher Weise wieder abspielt, womit ich nun den temporalen Aspekt beleuchtet habe, andererseits ist sie gegenwärtig hier, um uns herum. Möglicherweise ist sie just in diesem Moment hinter Ihnen, oder es, das Immorium.
Einige von Ihnen kennen es vielleicht. In engen Treppenhäusern lauert es, dieses Grauen, welches unsere Nackenhaare dazu zwingt sich zu erheben, während uns die Knie weich werden und wir Gefahr laufen zu Boden zu sinken.
Dieses Grauen lauert zum Beispiel in finsteren Etagen. Sie kennen es doch sicher: In alten Backsteinhäusern, in denen man hölzerne Treppen, die bei jedem Tritt ungeheuerlich knarren, als riefen sie selbst die Ahnen aus dem Jenseits an, empor laufen muss. Die langen schier Endlos erscheinenden, engen Treppen. Und dann eine Etage bevor man bei seiner Haustür angelangt, flackert schließlich das Licht und die Glühbirne erlischt. Nur schwach dringt aus dem unteren und dem oberen Stockwerk das Licht. Und auch wenn man zuvor im Schein des erst danach erloschenen Lichts, deutlich sehen konnte, dass sich außer einem selbst nichts in diesem Stockwerk befand, so merkt man plötzlich einen Hauch im Nacken und ohne genau zu wissen wieso, versucht man so schnell wie möglich diesen Ort zu verlassen und in die eigene Wohnung zu kommen, nur um festzustellen, dass auch hier kein Licht ist und dass sich der Raum, in den man möchte am anderen Ende des Flures liegt.
Ich kenne dieses Grauen. Wie jeder andere auch, lebe ich mit ihm. Es ist jenes, welches mir meine Geschichten mitten in der Nacht wenn es dunkel ist und ich versuche einzuschlafen, heimlich ins Ohr flüstert. Ja wir alle kennen es, das Monster unter dem Bett oder im Schrank vielleicht auch draußen vor dem Fenster. Es ist egal, denn es ist sowieso überall. Grinsend schleicht es jede dunkle Sekunde um dich herum, wartend auf den Moment, in dem du es bemerkst und erschrickst. Nur aus dem Augenwinkel siehst du es und drehst dich um... Doch da ist nichts. Kein Monster. Doch anstatt dich beruhigt wieder deiner ursprünglichen Tätigkeit zu widmen, wirst du unruhig denn du weißt das dort etwas war. Du versuchst dich zu beruhigen und sagst zu dir selbst, deine Augen haben dir wiedereinmal einen Streich gespielt doch ganz so stimmt es nicht. Es war das Immorium, welches dir einen Streich gespielt hat.
Und so wie wir es kennen, kennen es auch die Leute in anderen Universen. Denn aus jenen kommt es. Wir sehen es nicht, da unser dreidimensional denkendes Gehirn gar nicht in der Lage ist es wahr zu nehmen. Doch sie, die Leute zum Beispiel auf der Insel Atla, sie können es sehen. Doch nur wenn es sich ihnen zeigt.
Im norden der Insel, in einer kleinen, harmlosen Stadt namens Blokhel, dort befand es sich, oder befindet es sich noch. Ich weiß es nicht genau.
Blokhel war im Gegensatz zu der Hauptstadt Gechra wirklich nicht sehr groß. Es gab keine Hochhäuser oder Luftschiffdocks. Jeden Tag kam ein Fernbus, der sowohl Pakete und Briefe als auch Passagiere und Nahrungsmittel transportierte.
Die Stadt selbst hatte im Grunde nicht viel zu bieten. Sie rühmte sich einzig mit der Produktion von Silberkugeln. Sie mögen lachen aber jeder in der Umgebung, ja auf ganz Atla kannte die Sagen um den angrenzenden Sumpf in dem jedes Jahr Menschen verschwanden. Auch war Blokhel einer von wenigen Orten, die die sich zu Zeiten des Deusexperimentes in der näheren Umgebung befunden hatten. Und wer die Geschichte kennt, weiß dass es kein gutes Ende nahm. Doch irgendwie hatte der Ort überlebt. Ob es an den altertümlichen Waffen oder dem Starrsinn der Bevölkerung lag, vermag ich nicht zu sagen. Doch sie alle waren wohl auf. Bis zu einem schicksalhaften Tag...

Sonntag, 7. Dezember 2014

Sinnvolle Wortreimerei

Ich hab nachgedacht über den Sinn des Lebens
warum ich hier bin, ob ich wohl vergebens
das Ziel meines Strebens
zu entschlüsseln suche
Oder ob es einen Grund gibt für mein Hiersein
für die Kette von Ereignissen, die mir mein
Verstand, den ich dafür verfluche,
beschreibt als mein Leben
Nehmen? Geben?

Doch halt! Die Frage lautet anders
Ich frage nicht „warum“, ich kann das
erklären, ich will nicht den Grund,
den Sinn will ich erfahren und
warum“ ist hier leider tabu
die richt'ge Frage heißt „wozu?“
Was soll ich hier auf Erden machen?
Wozu wurde ich erschaffen,
oder gezeugt oder gesandt,
was ist die Aufgabe, verdammt?
Die Antwort seh ich nur als Schemen:
Geben? Nehmen?

Doch halt, auch das ist nicht mein Sinn
wozu“ bringt mich nirgendwohin,
bemerke ich mit leichtem Schreck,
denn das „wozu“ fragt nach dem Zweck
Vielleicht bin ich ja hier, um Welten zu zerstören,
vielleicht, um welche aufzubau'n
vielleicht soll ich Milliarden Menschen lehren
sich selbst und and're wie ein Wunder anzuschau'n
vielleicht bin ich auf dieser Welt geboren
damit ich einen einz'gen Menschen glücklich mach
so viele fühlen sich allein, verloren,
vielleicht sollt' ich sie retten, tausendfach?
Es gibt so viele Dinge, die wer immer
verantwortlich dafür ist, dass ich lebe
eventuell geplant hat, aber nimmer
ist das gleichzeitig das, wofür ich weitergehe.
Der Sinn ist nicht, was jemand von mir will
Der Sinn ist einzig das, was mich erfüllt
Doch was erfüllt am meisten mich im Leben?
Nehmen? Geben?

Das Blöde ist, dass ich noch immer
mir selbst nicht vollständig zu glauben scheine
Wieviel von dem, was ich zu lieben meine
ist wirklich mein? Ich habe keinen Schimmer.
Wie viel von meinen Hoffnungen und Träumen
aus alten Zeiten konnte ich denn retten?
Und wieviel mussten schon die Plätze räumen
für mich, wie mich die anderen gerne hätten?
Wer oder was ist wirklich von Belang?
Wer diktiert mir die wirklich wichtigen Themen?
Was will ich noch mit meinem Leben anfangen?
Geben? Nehmen?

So, jetzt ist Schluss, mein Schädel raucht
Ich glaube, was das Leben wirklich braucht
ist nicht einer, der auf Probleme stößt
wir brauchen endlich einen, der sie löst!
Warum kann es nicht so ein Handbuch geben
Auf dem ganz vorne einfach steht: Das Leben
Und drinnen, alphabetisch aufgelistet, steht
die Antwort auf alles, was dich bewegt!
Die Unklarheiten liegen vor mir wie ein Berg
Das Leben – glaubt mir – braucht ein Regelwerk!
Ich muss das Spiel nicht unbedingt begreifen
solang mir jemand sagt, wie man es spielt
wenn ihr mir endlich sagt, worauf das alles zielt
versprech' ich auch, euch nicht mehr zu bescheißen
Ich bin durch Zufall nur ins Spiel gekommen
und suche seither halbwegs mitzuziehen
doch nach wie vor bleibt leider unbenommen:
hinter die Regeln bin ich nie gekommen.
Ich weiß nicht, ob, wohin oder wovor wir fliehen.
Kann mir vielleicht einer das Ziel verraten?
Auf welche Art gewinnt man dieses Spiel?
Wer ist der Sieger eines Lebens?
Der zuerst fertig ist? Ist das das Ziel?
Oder muss man erst Punkte sammeln, eben
Nehmen? Geben?

Jetzt steh ich also wieder da wie ganz zu Anfang
ich weiß noch immer nicht, was ich hier soll
Die Fragen sind jetzt da, wo keiner ran kann
mein Hinterkopf ist bis zum Bersten voll
Und jetzt, wo ich endlich zu Atem komme
und nicht viel denke, sondern einfach bin
Da fällt plötzlich ein kleiner Streifen Sonne
auf mein Gesicht, und plötzlich macht es Sinn
Jetzt, wo ich nicht mehr alles mir zerdenke,
sondern stattdessen alles auf mich wirken lasse
sehe ich, was ich einfach so verschenke,
während ich Fragen stelle und mich dafür hasse
Der Sinn des Lebens
ist nicht kompliziert,
er ist vielmehr etwas,
was einfach passiert

Nicht nehmen, nicht geben

Der Sinn ist das Leben!

Freitag, 5. Dezember 2014

Lebenslauf eines Superschurken

Entgegen meinem ureigenstem Drang als Schriftsteller, eine Geschichte über einen Helden zu verfassen, der sich der Rettung der Welt angenommen hat, habe ich mich kurzerhand entschlossen, meine Geschichte von einem Bösewicht handeln zu lassen. Denn ich bin der Meinung, dass dieser zweifelsfrei in der Gesellschaft anerkannten Berufsgruppe, viel zu wenig Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird.
Während nämlich die sogenannten Superhelden zumeist nichts als Muskelbepackte Haudraufidioten oder aber einem glücklichen Zufall irgendwelche überirdischen Kräfte besitzen, sind es zumeist die Bösewichte, die wahren Erfindungsgeist an den Tag legen. Sie nämlich haben meist keine Superkraft oder Supermuskeln, nein, sie sind verkannte Propheten, kreative Köpfe.
Auf der einen Seite haben wir also die Helden, die es sich zum Ziel gemacht haben, bei der Rettung der ohnehin verlorenen Menschen, die Stadt mit einer gewissen Regelmäßigkeit in Schutt und Asche zu legen.
Auf der anderen Seite, haben wir jene, die sich immer neue Möglichkeiten einfallen lassen, die Welt zu unterjochen und ihren Mangel an geheimen Kräften und gotteslästerlichen Muskeln, durch Erfindungen auszugleichen versuchen.
Einen solchen Superschurken möchte ich versuchen zu schreiben oder zu erfinden. Um ihn entfernt mit meiner Person in Verbindung zu setzen, wie es von Lesern häufig erwartet wird, werde ich ihn nach meinem Synonym, Victor Clockwork, nennen. Ich weise aber auch direkt darauf hin, dass diese Person sonst nichts mit mir zu tun hat.

Bereits in jungen Jahren machte sich Victors böse Natur sichtbar, nämlich als er mit einem Kindergartenfreund zusammen mit Spielzeugautos spielte.
Sein Freund inszenierte dabei einen Unfall zwischen seinem und dem Auto des jungen Victors und wies ihn anschließend darauf hin, dass sein Auto nun explodieren müsse. Victor überlegte kurz und sagte dann, dass auch der Fahrer seines Autos tot sein müsse. Er behauptete es selbst berechnet zu haben. Auf die Bitte der Kindergärtnerin, er solle dies doch bitte zurück nehmen, da sich ja theoretisch gar kein Fahrer im Auto befunden habe, bezeichnete Victor sie lediglich als Phantasielos.
In der vierten Klasse, machte Victor bei einem Erfinderwettbewerb mit für den er nach dem Vorbild seiner Lieblingsserie eine Maschine baute, die das Wort: Eliminieren immer und immer wiederholte. Als die Jury ihm mitteilte, dass er damit wohl nicht den ersten Preis gewinnen würde, zeigte er ihnen noch ein Spezialfeature, von dem er sagte, er habe es nur zum Spaß eingebaut. Er drückte auf einen roten Knopf und die Maschine begann immer abwechselnd erst das Wort „Eliminieren!“ zu sagen und anschließend mit Lasern zu schießen. Die Laser waren nicht sonderlich stark, doch reichte es aus, um dafür zu sorgen, dass die gesamte Jury hinterher Blind war. Zu seiner Verteidigung behauptete Victor nur, sie seien wohl vorher schon blind gewesen, da sie ihm seinen wohl verdienten Preis nicht geben wollten. Später nahm er diese Aussage aber wieder zurück bezichtigte sie lediglich der Dummheit.
In der zehnten Klasse verfasste er als Jahresarbeit für die Schule ein Buch, welches wider aller Erwartungen Der gute Mensch hieß. Allerdings handelte dass Buch davon, dass ein guter Mensch jemand sei, der andere ausbeutete und sich selbst starr der Monotonie des Alltags ergab. Weiterhin behauptete er, ein guter Mensch würde nach der Gewohnheit leben und alles fremde oder verstörende nicht akzeptieren. Er schrieb außerdem die Gesellschaft lebe nach dem Prinzip des Argwohns und wer sich mit Dingen auseinandersetzte, die nicht der Aufrechterhaltung des Funktionierens der Maschinerie mit Namen Menschheit, sei nicht kompatibel und würde aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Gleichzeitig bezeichnete er sich selbst als solchen. Als der Lehrer ihm auf die Arbeit eine vier gab, sagte Victor nur zu ihm, er sei überaus kompatibel.
Nach Abschluss der zwölften Klasse, beschloss Victor Hausmeister zu werden. Da es ihm aber nicht gefiel, acht Stunden am Tag zu arbeiten, erfand er verschiedene Maschinen, die ihm die Arbeit abnahmen oder sie zumindest erleichterten, sodass er die Arbeit von acht Stunden in nur zwei Stunden schaffte. Da er dann den Rest des Tages Zeitung lesender Weise auf dem Dach in der Sonne saß und so tat als würde er Pfeife rauchen, verlor er bald darauf seinen Job mit der Begründung, er ginge seiner Arbeit nicht nach. Die Maschinen allerdings, die ja in seiner Arbeitszeit gebaut wurden, sollten im Besitz des Unternehmens bleiben. Und so programmierte Victor als letzte Handlung die Maschinen so um, dass sie nachdem sie eingeschaltet wurden durch das Gebäude fuhren und immer wieder abwechselnd das Wort „Eliminieren!“ sagten und mit Lasern schossen.
Aufgrund seines technischen Geschicks bekam Victor aber bald ein Jobangebot von der technischen Universität in Gechra. Selbstverständlich als Hausmeister. Da es ihn störte, dass die Studenten immer wieder ordinäre Dinge an die Wände schmierten, baute er eine Überwachungskamera, die jeden, der etwas an die Wände zu schreiben versuchte mit einem Laser, dem voraus die Aussage: „Eliminieren!“ ging, beschoss. Er wurde ermahnt und darauf hingewiesen, so etwas sei unhöflich. Daraufhin baute er die Kamera ein wenig um. Nun schoss sie zuerst mit dem Laser und sagte dann: „Sie wurden eliminiert.“ Er befand es für höflich wurde aber wieder zum Direktor der Universität gerufen. Diesmal fielen die Worte unmoralisch und unmenschlich. Victor wies den Direktor so höflich wie er konnte darauf hin, dass es durchaus menschlich sei, denn in anderen Ländern wurden Menschen ja reihenweise von anderen Menschen beschossen. Er wurde fristlos gekündigt, verklagt und ins Gefängnis gesteckt.
Als er aus dem Gefängnis wieder heraus kam, hatte er so viele Geschichten über Bankräuber gehört, dass er beschloss selbst einer zu werden. Er recherchierte ein wenig was man so für Voraussetzungen benötigte und nachdem er sich inständig mit der Geschichte von Bonnie und Clyde beschäftigt hatte, beschloss er sich noch eine Frau zu suchen, die ihn unterstützen sollte. Er veranstaltete ein Casting mit dem Titel: Gechra sucht die Superschurkin (kurz: GSDS) Es begab sich, dass die Superschurkinnen dies aber für eine Fall hielten und nicht auftauchten. Die Polizei war irritiert was das für ein Verrückter war, der ein öffentliches Casting für Superschurkinnen veranstaltete. Dennoch beschlossen sie jemanden einzuschleusen, der oder besser die dann die Assistentin von Victor wurde. Selbstverständlich ging bereits der erste Bankraub schief, da seine Assistentin mit Namen Elisabeth Parker, ihn bei ihren Kollegen verraten hatte was er allerdings nicht wusste. Victor kam wieder ins Gefängnis wurde aber von jener Polizistin befreit, die auch dafür verantwortlich war, dass er sich im Gefängnis befand. Sie hatte sich wohl in ihn verliebt. Die beiden zogen durchs Land und raubten eine Bank nach der anderen aus. Am Ende besaßen sie mehrere Millionen mit denen sich Victor, wie er selbst sagte einem höheren Ziel widmen wollte. Sein neuer Plan war es nun, sich nicht nur Geld sondern ganz Gechra anzueignen. Seinem Partner gefiel das aber nicht und so trennten sich ihre Wege. Elisabeth wurde kurze Zeit später von der Polizei erschossen.


05.12.2014
Victor Ian Clockwork

Die Dienerin teil 3

Der Abend des nächsten Tages ist da. Leon und ich sind bereit. Unser Auftrag ist ziemlich klar. Wir gehen los, brechen in das Anwesen von Lord Jerome ein, retten ein paar Menschen und lassen uns etwas für Lord Jerome einfallen.
„Was wollen wir mit dem Erpresser eigentlich anstellen?“ fragt mich Leon
„Weiß nicht. Mir egal! Vielleicht bringen wir ihn um?“ sag ich
„Das ist doch unspektakulär!“
„Na und? Den Tod hat er verdient. Soviel Arbeit wie er mir bereitet!“
„Sonst bist du nie so schnell aus der Ruhe zu bringen. Auf der ganzen Welt nennt man dich gefühlstot. Und jetzt ist dir dein Opfer auf Grund der Tatsache, dass es dein Opfer ist unsympathisch.“
„Ich bin gefühlstot. Ich will nicht spektakulär sein. Ich will keine Schlagzeilen, Gerüchte oder sonstwas. Ich bringe den Auftrag zu Ende und fertig. Aber gut mein Freund: Wenn dir etwas deiner Meinung nach angemessen spektakuläres einfällt, überlass ich dir Lord Jerome.“
Wir kamen an Lord Jeromes Anwesen an, stehen vor der Tür und schauen an dem Haus nach oben wo Licht brennt.
„Vermutlich handelt es sich bei dem Licht um des Lords Arbeits- oder Schlafgemach.“ Sage ich „Jetzt lass dir erst einmal etwas spektakuläres einfallen, wie wir da hoch kommen.“
Leon holt einen Draht aus der Tasche und frimelt ein wenig an der Tür herum. Es klickt und Leon drückt die Tür nach innen auf.
„Tadaa!“ sagt Leon und ich Lache
Wir treten ein und…
„Wer sind sie?“ fragt eine ernste und bleiche Stimme von der Seite
Ich drehe mich zur Seite. Ein Mann mit einem auffälligen Schnurrbart steht vor mir und hält mir einen Säbel unter die Nase.
Zuerst stehe ich wie erstarrt da, dann lockere ich mich wieder auf und lächele.
„Bitte verzeihen Sie!“ sage ich, verbeuge mich, reiße dem Man den Säbel aus der Hand, trete sein Bein weg so dass er zu Boden fällt und ramme ihm den Säbel in den Rücken. Eine Lache Blut breitet sich auf dem Boden aus. Ich trete einen Schritt zurück um nicht in der Pfütze zu stehen.
„Und all das innerhalb eines Atemzuges.“ Sagt Leon
„Ich hab mit zwölf einen Tanzkurs besucht.“ Sage ich und drücke Leon den Säbel in die Hand.
„Ähnlich wie der Kochkurs bei dem ich das gelernt hab?“ fragt Leon und weist auf die Tür
„Ja etwa so.“ lächele ich „Aber jetzt ist Schluss mit Spaß wir müssen Jerry finden, Menschen befreien und abhauen.“
Wir schleichen die erste Treppe hoch. Niemand ist da.
Ich gucke Leon an und sage: „Erst befreien wir die Familie von Miss Sowieso, dann legen wir den Lord um.“
Mein Begleiter nickt und weicht damit zufällig einer Pistolenkugel aus welche so direkt an seinem Hinterkopf vorbei zischt. Zugegeben sie hätte ihn vermutlich auch so verfehlt aber so klingt es nun einmal spektakulärer. Wir Ducken uns.
„Am obersten Geländer steht scheinbar ein weiterer Scherge.“ Sagt Leon „Kriegst du den auch so leicht ausgeschaltet.“
Ich betrachte den Treppenaufgang und denke kurz nach. Dann sage ich: „Warte hier!“
Ich klettere auf das Geländer, springe nach oben, halte mich am oberen Geländer fest, ziehe mich hoch und während ich mich abrolle, schneide ich dem von Leon besagten Schergen den Bauch auf. Leon kommt hoch: „Drei oder vier.“
„Was?“
„Atemzüge.“ Sagt Leon „Trotzdem nicht weniger spektakulär! Fast schon Legendär“
„Ich plädiere auf Notwehr.“
„Manchmal…“ sagt Leon, lächelt mich an und lehnt sich an die Wand. Er erschrickt denn diese gibt nach.
„Ha.“ Rufe ich „Was für eine schöne Mauer!“
Tatsächlich ist die vermeintliche Mauer aus Holz und eine versteckte Tür zu…?
„Was meinst du wo wir da hin kommen.“
„Finden wir es doch heraus.“
Leon guckt mich an während von hinten eine Stimme spricht: „Was macht ihr hier.“ Ich sehe und Leon hört wie eine Klinge gezogen wird. Und Leon hört einen Schuss, sieht Rauch und ich sehe und Leon hört wie hinter ihm jemand zu Boden fällt.
„Wir hätten ihn fragen können!“
„Probier‘s doch!“ sage ich und gehe den Gang entlang. Eine Treppe kommt in Sicht. Sie Führt nach unten.
„Vermutlich ein verstecktes Verließ!“ sagt Leon
„Das schreit nach Ärger!“ sage ich
„Ich geh voran!“ sagen wir beide
„Kapt’n , bei allem Respekt, aber ihr hattet für heute euren Spaß! Jetzt bin ich dran!“
Ich gebe nach: „Nur zu mein Freund geh du nur den Gang entlang ich erkunde die obere Etage wir treffen uns in circa 10 Minuten vor dem Gang und ich kriege den edlen Lord!“
Ich verlasse den Gang und schleich nach oben. Niemand ist da. Nichts besonderes doch wo ist das eigentliche Opfer?
Ich gucke durch verschiedene Schlüssellöcher. Schlafgemächer von Bediensteten, Lagerräume und ähnliches.
Am Ende des Ganges erst befindet sich eine fünfstufige Treppe nach oben welche an einer Tür endet. Ich sehe durch das Schlüsselloch und da steht er. Ich greife nach der Pistole und halte sie an die Tür. Dann klopfe ich.
„Herein.“ Höre ich Jeromes Stimme. Dann ertönt sie erneut und dann ein: „Hallo?“
Ich antworte nicht sondern Klopfe Noch einmal. Jerome stöhnt kurz und geht zur Tür. Ich sehe weiter durch das Schlüsselloch und Bewege meine Pistole mit seinem Kopf mit.
Das Opfer greift gerade zur Klinke, noch ein Zentimeter nach rechts und ich drücke ab. Jerome fällt zu Boden. Ich drücke die Tür auf um nachzusehen ob er tatsächlich tot ist. „Glatter Kopfschuss…“ Grinse ich. Dann sehe ich mich im Zimmer um.
An den Wänden stehen verschiedene Weinregale oder Schränke. Teilweise auch Truhen. Ich nehme mir ein Glas und gieße einen Schluck Wein aus einer offenen Flasche ein.
„Schicke Einrichtung!“ Höre ich Leon hinter mir
„Durchaus.“ Sage ich geistesabwesend

Leon stöbert im Zimmer herum und steckt gelegentlich etwas ein von dem er denkt dass es einen Wert haben könnte. Ich lehne am Bett.
„Die braucht er wohl auch nicht mehr.“ Sagt Leon und hält eine mit Saphiren, Smaragden und Rubinen verzierte goldene Kette hoch welche er dann heimlich in seine Tasche gleiten lässt als wolle er es verbergen. Nach einer Weile sieht Leon mich an: „Du heckst gerade etwas aus.“ Sagt er
Ich nicke immer noch geistesabwesend und nehme einen Schluck meines inzwischen zweiten Glases Wein. Ein teurer Rosé. Vermutlich aus den Überresten von Alemnia geborgen. Das Reich des Königs Allen Williams II. Das Land war bekannt für gute Weine. Weine und andere Tränke unter anderem auch hoch explosive und das besiegelte dann auch den Untergang des Reiches.
„Nimm nicht zu viel mit!“ Sage ich „Sonst wird es zu auffällig!“
„Zu Auffällig für was?“ fragt Leon
Ich geh nicht darauf ein sondern frage: „Hast du die Gefangenen gefunden?“
„Ja.“ Sagt Leon „Gefunden und befreit.“
„Wunderbar. Dann nimm den Kram und noch ein paar Flaschen Wein und gehe zurück. Sage Jonathan er solle die Dame die uns das hier eingebrockt hat freilassen und ihr sagen sie darf nicht zu Jerome zurück kehren. Ich warte hier noch auf jemanden“ Ich nehme einen Schluck Wein und Leon nickt: „Ich glaub nicht, dass sie zu dem Lord zurückkehren wird es sei denn sie ist eine Totenbeschwörerin aber dann helfe uns Gott. Er tut aber trotzdem wie ihm geheißen.
Und ich… warte…

Freitag, 28. November 2014

Michael




Von Mr. Big



Hallo, mein Name ist Michael. Heute ist der Tag, an dem ich sterbe. Absurd, ich weiß, aber manchmal ist das Leben eben so. Dabei fing der Tag wie immer an. Früh morgens klingelte mein Wecker und riss mich aus einem leichten Schlaf. Die letzten Schnipsel eines Traumes fegten noch durch meinen Kopf. So kam es, dass ich just in dem Moment bevor ich aufwachte, eine Silhouette sah. Die Fratze eines hasserfüllten Gesichtes schaute mich an. Panisch machte ich die Augen auf und die Schnipsel verflogen wie Blätter im Wind.


Als ich mich an den Frühstückstisch setzte, stürzte sogleich meine Großmutter herbei, um mich großzügig zu bedienen. Ich war den Sommer über zu ihr gezogen, weil ich das Gefühl hatte, dass sie in den letzten Jahren immer einsamer geworden war. Ich hatte beschlossen, sie für ein paar Tage zu besuchen und ihr Gesellschaft zu leisten.

Ein riesiger Teller voller Pancakes stand nun vor mir auf dem Tisch. „Na mein Kleiner, hast du schlecht geschlafen? Du siehst so blass aus?“

„Es ist nichts, Oma“, antwortete ich. „Ich glaube, ich hatte einen Albtraum.“ Sie fing an zu lachen. „Ein Junge in deinem Alter sollte sich von Albträumen nicht so mitnehmen lassen. Iss erstmal, damit du bei Kräften bleibst. Nicht das du mir vom Fleisch fällst.“

Das ist witzig, denn ich bin fast zwei Meter groß und wiege 130 Kilo. Manche bezeichnen mich als mollig, ich bevorzuge das Wort muskulös.

„Was hast du heute noch vor?“, fragte sie mich. 

„Mit Dorian treffen, rumhängen, nichts weiter.“

„Aha, so, so, na dann. Iss schnell auf und dann raus mit dir. Die Sonne scheint herrlich. Genieße den letzten Sommertag, bald fängt der Ernst des Lebens an.“

Womit sie nicht ganz Unrecht hat. Doch bevor ich in ein paar Tagen meine Ausbildung in dieser kleinen verschlafenen Stadt beginnen sollte, hatte ich mir vorgenommen, noch einmal so richtig einen Drauf zu machen. Zusammen mit meinem besten Freund Dorian.

Dorian und ich, wir sind typische Jugendliche, so typisch wie zwei Kerle in den USA halt sein können. Wir hängen gerne zusammen rum, gucken Football oder trinken Bier. Doch heute wollten wir feiern. Wir haben den High-School-Abschluss in der Tasche! An einem heißen, schwülen Tag wie diesen, gibt es einfach nichts besseres, als mit dem Auto raus an den Mississippi zu fahren und einfach die Seele baumeln zu lassen. 

„Hey, lass uns noch schnell bei diesem Shop vorbeigehen, ein paar Zigarillos holen“, sagte ich. „Kein Problem.“ meinte Dorian. „Meiner Alter will mir eh erst Nachmittag das Auto geben.“

Wenig später gingen wir rauchend die leeren Straßen der Kleinstadt entlang, ohne so recht darauf zu achten, was wir taten. Wir waren beschwipst vom Gefühl des großen Abenteuers und dem was vor uns lag.


Ein Streifenwagen tauchte neben uns auf. Es war das einzige Auto weit und breit.

„Hey, wieso lauft ihr nicht auf dem Fußgängerweg?“ fuhr uns ein weißer Polizist an.

Dorian und mir war das herzlich egal, schließlich war weit und breit kein weiteres Auto zu sehen. Ich beachtete ihn nicht weiter. Als Schwarzer in Amerika ist man es gewöhnt, von der Polizei angefaucht zu werden. Irgendetwas gibt es immer.

Der Cop ließ nicht locker „Hey, was ist falsch mit euch?“, rief er uns zu. 

Was für ein Arsch. Ich war eigentlich nicht auf Stress aus, aber irgendwas an diesem Typen passte mir gewaltig nicht. Irgendwas in seinem Blick war…abwertend.

Er schaute auf den Zigarillo in meiner Hand. „Habt ihr die geklaut? Komm mal ran hier, na mach schon!“  

Na gut, dachte ich mir, aber heute spielen wir nach meine Regeln. Ich stellte mein Bein in dem Moment vor seine Tür, als er gerade aussteigen wollte. Plötzlich war er hilflos in seinem Wagen gefangen.

 „GEH VERDAMMT NOCHMAL VON DER TÜR WEG!“ 

„Ich denk nicht dran.“ Sagte ich und lehnte mich in seinen Wagen. 

Ein Gerangel entstand. Der Kerl hielt mich an meinem Arm fest und beschimpfte mich mit allem, was er hatte. Ich merkte schnell, dass es wohl eine dumme Idee gewesen war, diesen Cop zu reizen und wollte abhauen, aber er hielt mich fest. Ich stieß ihn zurück. Er schrie mich an. 

Dann fiel ein Schuss. 

Was war bloß geschehen?

Ich schaute herab und sah, wo mich der Schuss gestreift hatte. Ein brennender Schmerz breitete sich an meiner Seite aus. Panik erfasste mich. Aus der Panik wurde Angst, die pure Angst ums Überleben.

Ich musste weg, weg, einfach nur weg von diesem Cop, diesem Auto. Wo ist Dorian, fragte ich mich. Ich rannte und rannte, aber es war zu spät. Da hörte ich bereits seine Stimme sagen. „Auf den Boden! AUF DEN BODEN!“

Mir wurde schwindelig, ich war in einer Trance zwischen Schock und Schmerz gefangen und merkte, wie das Leben leise aus mir herausfloss. Ich konnte weder vor noch zurück. Ich war in der Falle. Es blieb nur eine Chance, lebend aus dieser Sache herauszukommen. Ich drehte mich langsam um und war dabei die Hände hochzunehmen, als ich in sein Gesicht sah und dachte: Oh mein Gott. Ich kenne dieses Gesicht.

Das letzte, was ich sah, war der Abzug, der nach hinten gedrückt wurde. Ich erinnere mich noch gut an die letzte Sekunde auf dieser Erde, denn sie dehnte sich zu einer Unendlichkeit aus. Mein ganzes Leben zog an mir vorbei. Meine Eltern, Freunde, meine Kindheit, meine Schulzeit, Dorian…sie alle waren Teile eines unendlichen Moments, bevor die Lichter ausgingen und ich in ein tiefes, bodenloses Loch stürzte.


Eilmeldung

Am Dienstag haben die Geschworenen in den USA entschieden, dass der Polizist Darren Wilson, der den schwarzen Teenager Michael Brown erschoss, nicht wegen Mordes angeklagt wird. Später sagte der Polizist in einem Interview, er habe seinen Job richtig gemacht und würde wieder so handeln.



Am Ende wird alles gut, hat meine Oma immer gesagt. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende.

Ich höre auf zu fallen. Die Schwärze wird zu einem dunklen Grau, wird heller und heller bis die weiße Unendlichkeit sich vor mir ausbreitet.