MVJstories

MVJstories ist ein Blog, auf dem eine kleine Gruppe junger Schriftsteller Auszüge aus ihren Werken veröffentlicht. Feedback ist ausdrücklich erwünscht. Und nun viel Spaß beim lesen!

Freitag, 30. Januar 2015

Kälte. Folge 17: Übers Wasser gehen

Im Moment versuchte er sich jedoch an etwas anderem. Er hatte einen elastischen Zweig gebogen, bis es möglich war, Schnüre zwischen die beiden Enden zu spannen. Genau das tat er nun, kreuz und quer verliefen die Fäden und bildeten ein dichtes Netz. Die Idee, sich auf diese Art Schneereifen zu bauen, war ihm schon am Anfang seiner Wanderung gekommen. Nun sollte sie in die Tat umgesetzt werden.
Die Idee war simpel. Wenn er sich das fertige Konstrukt unter die Füße schnallte, würde er eine größere Auftrittsfläche haben und somit sein Gewicht besser verteilen. Wenn seine Eigenkreation funktionierte, sollte das ein Einsinken im tiefen Schnee verhindern und seine restliche Wanderung so um einiges leichter machen.
Schließlich war das erste Exemplar fertig. Gespannt setzte Aaron es auf den Schnee und anschließend vorsichtig seinen Fuß darauf. Ganz allmählich belastete er sein Werk mit mehr und mehr von seinem Gewicht, bis er schließlich auf einem Bein auf dem Schneereifen stand.
Es funktionierte!
Die ganze Konstruktion senkte sich minimal in den Untergrund, der Fuß, der in der Mitte des geknüpften Netzes stand, ein bisschen mehr, aber von einem Einsinken bis zum Knie konnte keine Rede mehr sein. Sicherheitshalber setzte Aaron sich auch noch einmal den Rucksack auf und probierte es erneut, aber auch mit dem zusätzlichen Gewicht war der Effekt enorm. Mit einem Lächeln auf den Lippen stellte er den Rucksack wieder ab, setzte sich daneben und machte sich daran, einen zweiten Schneereifen zu bauen.
Als er fertig war herrschte um ihn herum bereits vollständige Finsternis. Er brachte an jedem der beiden fertigen Schneereifen noch ein paar Riemen an, mit denen er sie sich an die Füße binden konnte. Dann probierte er, damit zu laufen. Es war sehr ungewohnt, aber es ging. Der einzige Nachteil war, dass die Schnüre, die ihm zur Verfügung standen, nicht die festesten waren. Besonders die Feuchtigkeit des Schnees würde ihnen auf die Dauer zusetzen und der Abrieb durch den Kontakt mit seinen Schuhen und dem Rahmen würde enorm sein. Er würde also nicht umhinkönnen, die Schneereifen alle paar Tage neu zu spannen. Da sein Vorrat an Schnüren alles andere als unbegrenzt war, konnte es passieren, dass er irgendwann zu Ende ging und er wieder auf die gleiche anstrengende Art würde laufen müssen, wie er das bis hierher getan hatte. Aaron zuckte die Schultern. Bis dahin würde er schon ein gutes Stück vorangekommen sein und da er nichts an diesem Problem ändern konnte, lohnte es sich auch nicht, sich weiter damit zu beschäftigen.

Er kehrte zu seinem Rucksack zurück, aß eine Kleinigkeit und baute sich sein Nachtlager. Dafür wählte er den Platz direkt unter einem der Bäume. In der Schneegrube, die er sich gegraben hatte, geschützt von der Krone des Baumes und von den schlanken Stämmen, die ihn umstanden, fühlte er sich fast so sicher wie zuhause. Nur dass er dort wohl kaum die schwere Schneekleidung anbehalten hätte.

Mittwoch, 28. Januar 2015

Das Immorium - Folge 6

Aerin wachte auf, als die ersten Sonnenstrahlen durch die Sonne schienen. Sie setzte sich auf ihr Bett und kratzte sich am Kopf. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie geträumt hatte oder sich die Geschehnisse vom Vortag tatsächlich zugetragen hatten.
Ihr Blick fiel auf den Spiegel. Sie betrachtete sich, betrachtete ihre Haare, beschloss, dass sie diese dringend kämmen musste, auch wenn sie sich nicht ganz sicher war, ob es nach Wochen, die sie durch das Land gestreift war, noch sinnvoll war.
Dann fiel ihr Blick auf ihre Füße und weiter, auf etwas, was mit ihren Füßen, bis auf die Tatsache, dass es auf dem Boden lag, nichts gemeinsam hatte. In einer roten Pfütze, stand aufrecht ein leeres Glas. War es nicht zerbrochen?
Aerin stand auf und ging zu dem Glas. Sie hob es auf, roch daran und stellte es auf den Tisch. Dann besah sie sich die Pfütze. Es handelte sich nicht um Blut. Es war keine Kruste. Es wirkte nicht wie getrocknetes Blut. Viel eher wie ein Rotweinfleck, der dem Teppich seine neue Färbung gab.
Aerin schüttelte nur kurz den Kopf. Sie begann zu glauben, dass sie sich langsam, bei all den Geschichten, selbst in ihnen verlor.
Ihr Blick wanderte zu ihren Notizen. Sie nahm ihren Stift, beugte sich, auf ihren linken Arm gestützt, über den Tisch und begann in den Notizen herum zu streichen.
Dann schrieb sie darunter:

Ich sollte definitiv aufhören mit trinken und rauchen. Vielleicht weniger Horrorgeschichten lesen, oder schreiben?

Dann ging sie runter und bestellte sich einen Kaffee mit Scotch.
Gedankenverloren betrachtete sie die Tür als würde sie etwas erwarten. Als der Gastwirt ihr den Kaffee auf den Tisch stellte und fragte: „Gut geschlafen?“, schreckte sie auf.
„Ja,“ antwortete sie schnell „ja, doch.“
Der Mann ging und Aerin überlegte, ob sie ihm hätte von den Geschehnissen erzählen sollen. Angesichts der Tatsache, dass sie sich nicht sicher war, ob sie nicht vielleicht doch verrückt war, entschied sie sich aber dagegen.
Die Tür schlug auf und ein Mann kam herein. Er nickte dem Kellner zu und setzte sich an einen Tisch neben sie. Aerin hatte ihn am Vortag schon gesehen. Er war einer der Männer, die dem Jungen zugehört hatten. Sie erinnerte sich, dass er einen Toast auf den Jungen gesprochen hatte, als sie gerade die Treppe nach oben gehen wollte.
Der Mann sprach kurz mit dem Wirt, dann klopfte er ihm auf die Schulter und der Wirt ging zurück zum Tresen.
Aerin beobachtete aufmerksam, wie der Mann eine Pfeife aus der Tasche zog. Dann kramte er in seinen Taschen, drehte sich schließlich zu ihr um und fragte mit tiefer rauchiger Stimme: „Könnten sie mir bitte Feuer geben?“
Aerin war verwirrt. Wie kam er darauf, dass sie Feuer hatte. Doch sie unterbrach ihren Gedanken, als ihr in ihrem Blickfeld Rauch auffiel. Sie verfolgte den Rauch zurück zu ihrem Ursprung und betrachtete nun ihre Hand.
Aerin kramte Streichhölzer aus ihrer Tasche, reichte sie dem Mann, schob den Kaffee von sich drückte ihre kürzlich erst angezündete Zigarette aus und sagte leise zu sich selbst: „Verdammt!“

Dienstag, 27. Januar 2015

Kälte. Folge 16: Grün

Eine Weile lang saß Aaron einfach nur so da und betrachtete die Bäume, die ihn umgaben. Er kannte sich da nicht weiter aus, aber dass es sich um Nadelbäume handelte, konnte er sehen. Groß, schlank und augenscheinlich stachelig waren sie. Und grün. Dunkelgrün, zumindest die Kronen. Aaron konnte sich an dieser Farbe nicht satt sehen. Es waren nur ein paar Tage gewesen, die er durch den Schnee gestapft war, aber seine Fantasie hatte sie zu Wochen und Monaten gedehnt und so war es ihm tatsächlich, als wache die Natur nach einem langen Winter endlich wieder auf und die ersten Zeichen des Frühlings ließen sich sehen. Nun gut, dachte er sich, einen Unterschied gab es da doch noch. Normalerweise war es der Frühling, der zu ihm kam. Dieses Mal ging er in Richtung Frühling.
Kurz musste er zurückdenken an diese ersten Eindrücke der scheinbar unendlichen schneebedeckten Landschaft, die ihn vor nicht einmal zwei Wochen so beeindruckt hatten. Damals hatte er überlegt, ob der Winter vielleicht dazu da sei, die Augen der Menschen etwas zu entspannen, da er ja alle aufregenden Konturen und Formen unter einer unauffälligen weißen Decke verbarg. Jetzt hingegen spürte er, dass seine Augen die Herausforderung brauchten, die Farben, die Formen, all das, was die Welt lebendig erscheinen ließ. Wie muss es einem Blinden gehen, fragt er sich. Nimmt er den Unterschied zwischen Sommer und Winter so wahr wie ich? Spürt er also auf irgendeine Weise die Entspannung der Sinne? Werden die Menschen im Winter vielleicht leiser? Überrascht stellte er fest, dass er darauf nie geachtet hatte. Der Sehsinn bekam für gewöhnlich fast seine gesamte Aufmerksamkeit, was dazu führte, dass ihm Veränderungen, die die anderen Sinne betrafen, kaum bewusst wurden. Auch im Rückblick konnte er sich nicht ganz darüber klar werden, ob die Welt im Winter stiller wurde. Die Natur bestimmt. Viele Tiere hielten Winterschlaf, verschiedene Vogelarten zogen nach Süden... Aber wie sah das im Stadtleben aus? Wurde der Mensch im Winter ruhiger, vielleicht nachdenklicher? Oder musste ein Blinder in der Stadt damit leben, dass sein Wahrnehmungsapparat keine Ruhepause bekam, dass der Lärm sich zwar unterschied, aber stets den gleichen Pegel behielt?
Schließlich löste Aaron sich von diesen Gedanken, die ihn doch nicht weiter brachten, und stand auf. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich den Rest des Tages über auszuruhen, aber er brachte es nicht fertig, die ganze Zeit still zu sitzen und schließlich, so dachte er bei sich, war ein kleiner Spaziergang durch den Wald, bei dem er gleich nach geeigneten Ästen für den Schlitten, den er zu bauen versuchen wollte, Ausschau halten konnte, nicht wirklich anstrengend und konnte nach den tagelangen strapaziösen Wanderungen gut und gerne als Erholung durchgehen. So begann er, die nähere Umgebung zu durchstreifen und sich nach Baumaterialien umzusehen.

Als es dunkel zu werden begann, hatte er die Idee eines Schlittens verworfen. Mehrere Äste und Zweige verschiedener Durchmesser, teils mit dem Messer bearbeitet, teils zerbrochen, die in weitem Kreis um ihn herumlagen zeugten von seinen zahlreichen Versuchen, jeweils einige von ihnen mittels Bindfaden zu einem stabilen, trag- und gleitfähigen Gestell zu verbinden. Ebenso zeugten sie von seinem Scheitern.

Montag, 26. Januar 2015

Es war einmal die Wahrheit

„Sag mir die Wahrheit!“
Eine Forderung, so unsinnig wie überheblich.
Denn Wahrheit braucht Klarheit
und daran herrscht Rar-heit
Denn was einer sieht
ist dem andern nicht klar, seit
er nämlich die selbige Sache betrachtet
wird klar, dass er sie als was and'res erachtet
als ersterer, weshalb er anders berichtet
und obgleich sie beide der Wahrheit verpflichtet
sich fühlen, erzähl'n sie verschiedene Dinge
ein jeder sagt, was er in diesem Sinne
für richtig hält, das unterscheidet sich zwar
doch beides ist wahr.

Aber kann es denn wirklich zwei Wahrheiten geben?
Was hieße das sonst für die Dinge im Leben
die sich nur auf klare Antworten gründen...
Müssen wir uns jetzt neu erfinden?
Ich meine, müssen wir, was wir auch sagen,
die Vielzahl der Wahrheiten hinterfragen?
Zum Beispiel, wenn jemand fragt, wer ich bin
dann hat der ja wohl meinen Namen im Sinn
doch wenn ich die Wahrheit antworten will
dann ist, was ich sagen muss, viel zu viel
Denn ich bin nicht ein Name, ich bin noch vielmehr
was dazu führt, dass ich hinterher
mich selbst viel zu genau erklären will
Dann reihe ich Sätze an Sätze
an Sätze
an Sätze
ich schätze, auch schon die Hälfte wär ihm zu viel
Ich bleib lieber still...

So bleibt uns, woll'n wir nicht Lügen erzählen
Halb- und Viertelwahrheiten vorzustellen
Ich weiß ja, dass er meinen Namen hör'n will
drum spiele ich mit, dieses seltsame Spiel
ich antworte nicht auf das, was er mich fragt,
sondern auf das, was seine Frage mir sagt
über seine Erwartung an mich
die erfülle ich
doch bei mir denke ich eigentlich:
Wenn ich nur tue, was ein and'rer verlangt,
bin ich dann noch ehrlich? Denn aufrecht stand
meine Meinung zwar früher, doch wenn ich sie anpasse
ist sie entbehrlich.

Das mag zwar bei Fragen
nach meinem Namen
nebensächlich erscheinen
Doch wenn ich mich beuge
und einfach bezeuge
was irgendwer vorspricht, gehör' ich zur Meute
die Gedanken und Meinung von einem kopiert
der sie dann ungehindert zum Massengrab führt
erst zu dem von wem anders, dann zu dem ihrer selbst
nur der Führer entkommt oft, mit massenhaft Geld
ich möchte niemals meine Meinung verschenken
und anderen erlauben, mich einfach zu lenken
Ihr alle, die ihr die Menschen verachtet
und glaubt ihr hättet die Wahrheit gepachtet
Ob Fundamental- oder Extrem-isten
Oder „Wir sind keine Nazis“-Populisten
Aus „Angst ums Land“ marschieren sie wieder
Angst? Wovor denn? Hashtag #nopegida
Früher gegen die Juden, heute gegen Muslime
und das im gleichen Land, es ist schon perfide
wenn die noch behaupten, die Wahrheit zu kennen
und sie als einzige auch zu benennen,
obwohl sie jede Quelle derselben
„Lügen-“und „Systempresse“ schelten
Wenn also die Medien sämtlich lügen
Woher hab'n sie die Wahrheit? Wo steht sie geschrieben?
Wir stell'n also fest (und das etwas pikiert):
Der Begriff der „Wahrheit“ ist soooooooo kompliziert...

Heißt das, wir sollten sie ganz aufgeben?
Ab heut' nur noch lügen, das ganze Leben?
Doch dann würden wir uns selber bald hassen,
denn wir hätten der Meute die Wahrheit überlassen.
Denn sobald keiner mehr etwas dagegen sagt
wird deren Wahrheit zur Doktrin im Staat
Denn man kann nur mit so vielen Wahrheiten rechnen
wie's Leute gibt, die von ihr sprechen
Darum hört nie auf, eure Wahrheit zu verkünden
vielleicht helft ihr jemandem, seine zu finden

Denn meine Wahrheit ist mir wichtig
Sie ist weder einzig noch einfach nur richtig
Ich weiß, dass ich an ihr arbeiten kann
und muss, das muss schließlich jedermann
Drum lohnt es, jede andere Wahrheit zu prüfen
auf Schwächen und Stärken, Höhen und Tiefen
um letztlich zu neuer Wahrheit zu finden
und somit den nächsten Vergleich zu begründen
der Fortschritt verheißt, Stück für Stück
strecken wir uns begeistert, entzückt
dem Ziel entgegen, dem sicheren Wissen
auf das wir doch immer verzichten müssen
weil jede Erkenntnis nur vorläufig ist
veränder- und prüfbar in jedweder Frist
Niemand wird erreichen, wonach wir hier streben
Doch allein der Versuch hält uns am Leben
Denn die Wahrheit ist, selbst hier im Gedicht:
Ganz ehrlich: DIE Wahrheit

gibt es nicht!

Freitag, 23. Januar 2015

Kälte. Folge 15: Waldwärts

Es war ein Festtag für Aaron, als er eines Tages am frühen Nachmittag endlich den Wald erreichte. Nach so vielen Tagen der unermüdlichen Wanderung war endlich der erste Abschnitt seiner Reise bewältigt. Zwar wusste er immer noch nicht, wie weit es bis zur nächsten Ortschaft war und ob er es dahin schaffen würde, doch zumindest hatte er nun auch schon etwas, auf das er zurückschauen konnte, ein ordentliches Stück Weg, das er bereits bewältigt hatte und das somit der unüberschaubaren Strecke, die noch vor ihm lag, gegenüberstand. Natürlich konnte er keine direkten Vergleiche anstellen, da er ja nicht wusste, wie weit er noch würde gehen müssen, aber egal wie klein der Anteil der schon gelaufenen Strecke am gesamten Weg auch war, zumindest etwas geschafft zu haben machte schon ein wenig Mut und entfachte einen kleinen Funken der Hoffnung.
Als er schließlich an den ersten Bäumen ankam, beschloss er, den Rest des Tages auszuruhen. Er ließ den schweren Rucksack zu Boden fallen, kramte die Plane hervor, legte sie auf den Boden und eine Decke auf die Plane. Schließlich ließ er sich selbst auf dem soeben erstapelten Kissen nieder und seufzte. Seit dem Beginn seiner Reise war dies wohl der erste Augenblick, in dem er sich wieder richtig wohlfühlte. Das mag eigenartig klingen, da er sich ja noch immer mitten im schneebedeckten Niemandsland befand, fern von jeder Zivilisation und mit alles andere als ermutigenden Zukunftsaussichten, aber mit sich verschlechternden Verhältnissen sinken auch die Ansprüche. Nach einer wochenlangen Wanderung durch die Schneewüste war ihm die Lebensgefahr inzwischen so alltäglich, dass er sich keine Gedanken mehr darüber machte. Nur die unmittelbar drängenden Probleme verdienten eine nähere Begutachtung, die sich immer wieder ändernden Schwierigkeiten des gefahrvollen Alltags hier draußen.
So machte sich Aaron in diesem Moment keine Gedanken über die immer noch drohende Gefahr, auf dieser Reise durch Erfrieren, Hunger oder Erschöpfung eines frühzeitigen Todes zu sterben. Vielmehr freute er sich darüber, mit den Bäumen wieder klare Bezugspunkte und Begrenzungen seines Blickfelds zu haben. Die unendliche Weite der Schneelandschaft war ihm in den letzten Tagen zunehmend unangenehm geworden. Er fühlte sich ausgeliefert, nicht Herr der Lage. Aaron kam aus einer Stadt und war es gewöhnt, ständig Wände um sich herum zu haben. Jeder andere war für ihn nur ein vorübergehender Zustand, der letztlich dazu führen musste, ihn wieder anderen Wänden zuzuführen. Dieser Dauerzustand der Schutzlosigkeit, den er in den letzten Tagen erlebt hatte, gefiel ihm gar nicht.

Der Wald hingegen gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. Er fühlte sich besser ver- und damit auch geborgen. So zweifelhaft es klingt: Aus einem Gefühl des totalen Ausgeliefertseins kommend erschien ihm der Wald wie ein schützendes Haus.

Dienstag, 20. Januar 2015

Kälte. Folge 14: Kopf auf Standby...

Die nächsten Tage verbrachte Aaron in einem Zustand ständiger mentaler Erschlaffung. Sein Körper funktionierte wie automatisch, sein Geist war auf Standby geschaltet. Er nahm seine Umwelt wahr und reagierte auf sie, dachte jedoch nicht über sie nach. Ein wacher Geist will beschäftigt sein. An passenden Beschäftigungen mangelte es ihm jedoch. Also betäubte er seinen Geist, ließ sich vom steten Rhythmus seiner Schritte einlullen und verbrachte den ganzen Tag in einer Art geistiger Starre, während sein Körper mechanisch weiterlief. Erst abends, wenn er sein Nachtlager aufschlug, begann sein Verstand sich langsam wieder zu regen. Dann saß er beim Essen, sah über die weite Landschaft und dachte all die Gedanken, die den Tag nicht ausgefüllt hätten, den Abend jedoch umso wertvoller machten. Er dachte an all die Menschen, die sein Leben bis vor wenigen Tagen bestimmt und ausgefüllt hatten. An all die Orte, die er wiedersehen wollte, wenn er erst aus dieser Einöde heraus wäre. Er trauerte um Erik. Und ziemlich häufig dachte er auch über die merkwürdigen Umstände seines Hierseins nach, über die Gründe für das, was ihm passiert war.
Noch immer hatte er nicht herausfinden können, wie die Geschehnisse zusammenhingen. Was Eriks Mörder zum Beispiel mit seinem Opfer und dessen Freundin zu schaffen hatte. Warum Elisa nicht aufgetaucht war. Was überhaupt der Grund für diese Fahrt ins Nichts gewesen war.
Und am allerwichtigsten: Was er noch zu befürchten hatte.
Außerdem machte er sich dauernd Gedanken um die zweite Person, die er auf dem Schneemobil des Mörders gesehen hatte. Wer mochte das sein? Handelte es sich um eine ganze Gruppe von Leuten, mit denen Erik irgendwie Ärger bekommen hatte? Aber warum war der Zweite dann nicht mit hineingegangen, um den Job gemeinsam mit dem anderen zu erledigen? Selbst, wenn sie von Aarons Anwesenheit nichts gewusst hätten, wäre es für sie doch sicher besser gewesen, eine Überzahl zu schaffen...?
Schließlich musste sich Aaron jedes Mal eingestehen, dass das, was er wusste, einfach nicht ausreichte, um weitergehende Schlussfolgerungen zu ziehen. Es brachte nichts, sich immer wieder den Kopf darüber zu zerbrechen. Davon mehrte sich sein Wissen auch nicht. Das Einzige, was er machen konnte war, nach seiner Rückkehr, die er in seinen Gedanken als gegeben hinnahm, auch wenn er sich dessen eigentlich nicht so sicher wahr, Nachforschungen anzustellen und so herauszufinden, was es mit diesem eigenartigen Urlaub auf sich hatte. Und wo Elisa abgeblieben war.
Kam er auf diese Gedanken, was jeden Abend früher oder später passierte, so drehte er sich ein paar Mal gedanklich im Kreis, hüllte sich dann resigniert in seine Decken und ging schlafen.
Die Wanderungen, die seine Tage ausfüllten, hatten beträchtlich an Glanz, aber auch an Schrecken verloren. An die enormen Anstrengungen hatte sich Aaron nach ein paar Tagen einigermaßen gewöhnt. Nicht, dass die ganze Sache ihm jetzt Spaß gemacht hätte, aber der Muskelkater blieb bald aus und gegen die abendliche Erschöpfung half eine Nacht Schlaf.

So wenig Aaron tagsüber nachdachte, seine Fortschritte bemerkte er schon. Er war dem Wald inzwischen ziemlich nahe gekommen. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis er endlich da war, und es stimmte ihn zuversichtlich, dass er diese erste Etappe seiner Reise so gut wie geschafft hatte. Bis dahin wollte er weiterhin nach Möglichkeit jeder Gefahr aus dem Wege gehen. Er war sich bewusst, auf der weiten weißen Fläche wie auf dem Präsentierteller einherzuspazieren, meilenweit zu sehen. Daran ließ sich nichts ändern, aber soweit es in seiner Macht stand wollte er die Gesellschaft anderer Lebewesen, ausgenommen natürlich Menschen, meiden. Um Tierfährten machte er immer einen großen Bogen, selbst, wenn es sich nur um die Spuren irgendwelcher Vögel oder anderer Kleintiere handelte. Wo harmlose Tiere unterwegs sind, so dachte er sich, war der beste Platz für gefährlichere, sich auf die Lauer zu legen.

Montag, 19. Januar 2015

Japan - Postadventurale Resümee - Teil 2

"Das lange Ende über das kurze Ende, und dann das lange ende von unten durch ziehen."

Sophie in Bezug auf den Anfang beim Stricken

  • Ich werde niemals mehr vergessen, wie dieser Anfang geht.

So, das war nun das versprochene Zitat. Nun denke ich, werde ich, bevor ich zu meinem Alltag komme, noch einmal berichten, wie der erste Tag zuende ging.

Am selben Tag nämlich, als ich in Japan ankam, war ich unglaublich müde. Im grunde ist das alles, was es zu berichten gibt. Aber damit wisst ihr es.
Am nächsten Tag wurde ich glaube ich bereits um 06:00 Uhr wach. Ich kann mich irren aber es war definitiv sehr zeitig.
Bevor wir nun aufstanden, machten wir die Heizung und den Wasserkocher an. Es war ein echter Schock, zuerst aus dem warmen Bett durch die kalten Zimmer zu gehen und dann schließlich in den Eingangsbereich um auf die Toilette zu kommen. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass man dort seinen Atem zur Decke steigen sah. Ich weiß zwar nicht, welche Temperatur dort herrschte aber ich glaube nicht dass es viel wärmer war als vor der Haustür.
Dann begann der Tag selbstverständlich mit dem Frühstück. Es gab Amarican Sandwichtoast mit Marmelade.
Das Toast war labberig und Marmelade war ich von zuhause auch anders gewohnt. Dennoch: Ich war hungrig und aß es.
Ich muss dazu sagen, dass es das einzige Brot war, dass es in Japan gab. Wir sind in Deutschland mit den vielen Bäckern schon sehr verwöhnt. In Japan suchst du vergeblich nach dunklem Brot.

Eine Milchpappe, auf der man den kopf einer Kuh erkennen kann, die einen Fez trägt.

"[...] So schickt Odin einen von Freyers Dienern zu den Zwergen. [...] Wir helfen gerne, sagen sie und fangen sogleich an, eine ganz besondere Kette zu schmieden. Sie besteht, aus den wurzeln der Berge, den Sehnen der Bären, dem Speichel der Vögel, dem Atem der Fische, dem Bart der Frauen und dem Lärm der Katzenpfoten. Diese Kette ist glatt und weich wie ein Seidenband. Seit diesen Tagen, tragen die Frauen keinen Bart mehr, Berge haben keine wurzeln und die Katzen kommen lautlos daher."

Aus einer nordischen Sage


Nach dem Frühstück, war mein größter Wunsch eine Dusche und mich endlich zu rasieren. Es könnte auch nach dem Mittag gewesen sein aber es passt hier grad rein.
Abgesehen davon, dass die Dusche kalt war und man zunächst eine Weile brauchte um aus der Kältestarre zu erwachen, bis man endlich anfangen konnte sich zu waschen, war es eigentlich angenehm. Allerdings, war es in dem Häuslein nicht nur kalt, sondern es gab auch nicht einen Spiegel.
Also hielt Sophie (die ja wie alle Frauen ihren Bart verlor, damit die Kette für den Fenriswolf geschmiedet werden konnte) mir einen Spiegel mit einer größe von etwa 15 cm² vor mein Gesicht, während ich versuchte, meine Gesichtsbehaarung etwas zu reduzieren.

Ich glaube, es war auch an diesem ersten richtigen Tag, dass Sophie mir das Stricken beibrachte. Aufgrund der vielen Fehler, die ich dabei machte, lernte ich auch sehr zeitig, wie man die Maschen wieder auflöste. Ich glaube aber, das war an einem anderen Tag.
Ich weiß nicht was nun außer dem Abendbrot an diesem Tag noch passiert ist. Ich denke aber, es war nicht sehr viel. Schließlich hatte ich mich auch von meinen Jetlag noch nicht erholt und so gingen wir recht zeitig schlafen.


Der Blick aus unserer Haustür. Unten die Bucht dahinter die Berge und all das getaucht in die warmen, leuchtenden Farben der Abendsonne.

Der nächste Tag begann, wie der vorangegangene. Aufstehn, Heizung und Wasserkocher einschalten und den Täglichen Kälteschock auf der Toilette abholen.
Dann gab es Frühstück. Wir strickten oder hörten Musik oder machten faxen. Darauf folgte das Mittagessen.

Nun begab es sich aber, dass sich unser Tagesablauf vom vorangegangenen unterschied. Wir gingen einkaufen und mussten Schneefegen.
Einkaufen bedeutete, dass wir den Berg hinab in die Stadt mussten und anschließend den Berg, vollgepackt mit Einkäufen, wieder hinauf.
Unser Schneemann
Schneefegen bedeudete, endlich einen Schneemann zu bauen. Wir fanden keine Steine oder Kohlen, mit dem wir ihn hätten schmücken können und unsere Karotten waren uns ein wenig zu schade. Also schmückten wir ihn mit Pflanzen und einen schicken (kleinen) Eiszapfen als Nase. Ein sehr Sympathischer Schneemann war das.

Sophie (rechts), unser Schneemann (mitte) und ich (links)















Am nächsten Tag, war es glaube ich, als wir dann Plätzchen gebacken haben. Sophie nahm abwechselnd: Herz, tannenbaum und Stern, während ich mich mit der Entenauststechform zufrieden gab.
Warum die Ente? Ich weiß es nicht. Sie gefiel mir. Und Sophie mit meiner Ente auf die Nerven zu gehen, amüsierte mich ein wenig.
Fertig gebacken, überlegten wir, zu baden. Es kostete einige Überwindung sich dazu zu entschließen, schließlich war das Bad schrecklich kalt.
Allerdings musste ich hier einen Kompromiss eingehen, auf den ich im ersten Teil meines Berichts bereits eingegangen bin. Undzwar sagte Sophie zu mir, bevor wir baden gingen: "Aber die Ente bleibt draußen!"
Und damit wisst ihr auch, wo die Ente bleibt.
Zum Baden selbst sage ich nichts, außer, dass die Wanne ziemlich exakt, in etwa, einen Kubikmeter umfasste und dabei ein Quadrat beschrieb.
Ich vermute mal, dass wir am Abend wieder gegessen haben und irgendwann schlafen gegangen sind.

Plätchen mit ein paar Entchen
Im nächsten Teil berichte ich dann von Weihnachten, von Wollsocken und wer nun eigentlich dieses Arme Tierchen retette und was für folgen sich daraus ergaben.
Außerdem werde ich mich im nächsten Teil nicht selbst zitieren. Eine schierr unmöglich erscheinende Aufgabe.

Freitag, 16. Januar 2015

Kälte. Folge 13: Zählbare Erfolge

Nachdem Aaron seine ungeplant enge Unterkunft verlassen und ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, besah er sich die ganze Sache von außen. Wie er schon vermutet hatte, hatte sich die Plane, die das Dach seines Unterschlupfs gebildet hatte, unter der Last des Schnees an einer Seite gelöst und war heruntergekommen. Ein beachtlicher Berg Schnee lag auf diesem Ende. Kein Zweifel, hätte er nicht zufällig an der richtigen Seite der Schneehöhle gelegen, er wäre jämmerlich erstickt.
Mit einiger Mühe zog Aaron die Plane unter den Schneemassen hervor und legte sie wieder zusammen. Dann grub er den Rest seiner Besitztümer aus, der auch unter dem Schnee begraben gelegen hatte, und war froh, die meisten Dinge im Rucksack gelassen zu haben. Wie ärgerlich wäre es gewesen, im tiefen Schnee nach Streichholzschachteln und Taschenmesser suchen zu müssen. Schließlich nahm Aaron ein leichtes Frühstück zu sich und marschierte los.
Bereits beim ersten Schritt fiel ihm auf, dass etwas anders war als am Vortag. Seine Beine wollten nicht mehr so, wie sie sollten. Auch im Rücken machten sich Schmerzen bemerkbar. Vorhin, im Eindruck der Lebensgefahr, hatte er den Muskelkater von der gestrigen Wanderung kaum gespürt, aber jetzt machten sie sich mit ganzer Kraft bemerkbar.
„Kein Wunder,“ murmelte er säuerlich vor sich hin, „ist ja nicht so, als würde ich jeden Tag zehn Kilometer durch knietiefen Schnee stapfen.“
Er dachte nach. Zehn Kilometer? War er so weit gekommen? Er war sich nicht sicher. Beim Gehen unter den gegebenen Bedingungen ging ihm jedes Gefühl für das eigene Vorankommen verloren. Er hätte am Vortag gute zwanzig Kilometer gewandert sein können. Oder aber nur zwei. In einer Landschaft, die überall gleich aussah und bei einer Fortbewegungsart, die sich seinem gewohnten Verhältnis von durchwanderter Zeit und zurückgelegter Strecke verweigerte – wie sollte er da eine einigermaßen genaue Schätzung abgeben?
Verbissen stapfte er weiter, ständig damit beschäftigt, sich nicht zu sehr auf seine schmerzenden Glieder zu konzentrieren.
Vielleicht konnte er die zurückgelegte Strecke errechnen, indem, er die Schritte zählte, die er ging, und die Anzahl der Schritte dann mit der geschätzten durchschnittlichen Schrittweite multiplizierte... Auf jeden Fall würde ihn das Zählen ein bisschen ablenken. Irgendwie musste er sich ja beschäftigen.
Also... eins, zwei, drei, vier, fünf...
Bei hundert klappte er einen seiner Finger auf und begann von vorn. Auf diese Weise würde er schon einmal bis tausend zählen können, und wie oft er die Tausend erreichte würde er sich wohl merken können...
Drei Finger aufgeklappt. Vierundzwanzig, fünfundzwanzig...
Wieder einmal stellte er fest, dass die Landschaft um ihn herum von ausgesprochener Schönheit war. Das karge Land, so schlicht in seiner Hülle aus gleichförmigem Weiß. Nicht so überladen wie farbenfrohere Landstriche. Gewissermaßen eine Möglichkeit, das Auge auszuruhen, bevor es sich wieder mit hunderten Farben, tausenden Ecken und Kanten und abermillionen schnellen Bewegungen beschäftigen musste.
Vier Finger aufgeklappt. Dreiundfünfzig, vierundfünfzig, fünfundfünfzig...
Ob das der Grund für den Winter war? Natürlich wusste Aaron über die Ursachen der Jahreszeiten Bescheid, geneigte Erdachse, Einstrahlwinkel des Sonnenlichts, blabla. Im Moment fand er jedoch Spaß daran, sich vorzustellen, die Jahreszeiten hätten ihren Sinn für die Lebewesen auf der Erde.
Fünf Finger aufgeklappt. Drei, vier, fünf...

Moment mal! Hatte er eben einen Finger aufgeklappt, als er die Hundertergrenze überschritt? Oder wäre er jetzt eigentlich schon bei Sechshundert? Er blieb stehen und starrte seine Hand mit den aufgeklappten Fingern an. Er hatte sich nicht genügend konzentriert. Den Faden verloren. Resigniert schüttelte er den Kopf und stapfte weiter, von nun an, ohne zu zählen.

Donnerstag, 15. Januar 2015

Japan - Postadventurale Resümee - Teil 1

Und so begab es sich, dass ich mich auf eine weite Reise in die Zukunft begab.
Natürlich nicht wirklich. Eher, auf eine Reise, die mir eine ganz neue Sicht auf die Diversität der Kultur und des Zeitbegriffes einbrachte... Nein, schlicht eine Reise nach Japan.
Der Grund ist simpel und einleuchtend und muss wohl nicht weiter erläutert werden. Dennoch: Meine Freundin macht zur zeit ein Auslandsjahr in Japan und, ehrlich gesagt, wäre ich sonst wohl niemals nach Japan geflogen. Es war nichts anderes als ein Besuch und dennoch eine, im Nachhinein betrachtet, wirklich wertvolle Erfahrung. Jedoch will ich nicht allzuviel vorweg nehmen. Ich will noch sagen, dass ich mich wenig an sachliche Fakten halten werde, es wird alles sehr abstrahiert dargestellt, was nicht zuletzt daran liegt, dass ich eine schöne Geschichte und keine Zusammenfassung liefern will. Ich will versuchen, den Spaß und die Erfahrungen so zu vermitteln, dass andere sie nachvollziehen können. Was brächte es denn auch, wenn ich euch berichten würde, was ich wann gemacht habe. Ich will wiedergheben was ich erlebt habe. Das jedoch auf die Art, wie ich es wahrgenommen und, streng genommen, nicht erlebt habe.
Ich werde selbstverständlich dennoch versuchen, nachvollziehbar zu machen, was ich gemacht habe aber ich werde nicht runterschreiben, was wann passiert ist. Nicht zuletzt, weil ich mich nicht mehr an die Reihenfolge der einzelnen Geschehnisse erinnere.

Ich weiß nun gar nicht ganz wo ich anfangen soll. In meinem Notizbuch steht Folgendes:

"Not far from the isle of man."

In diesem Moment habe ich mich wohl gerade im Anflug auf Großbrittanien befunden. Im Flugzeug gab es Bildschirme die eine Karte zeigten, auf der man sah, wo man sich grad befand. In meinem Fall war das: Platz 15D.
Die Reise begann allerdings bereits früher. Im Buch steht allerdings erst im Anschluss:

"Berlin: Terminal 05"

Weiter:

"London: Terminal 05, A, 10, a"

Ich hab keine Ahnung was das zu bedeuten hat. Ich glaube ich fand es amüsant, dass der Londoner Flughafen im gegensatz zu Berlin Tegel soviele Unterteilungen hat. Aber sicher bin ich mir nicht.
Weil ich das Folgende Zitat recht amüsant finde, werde ich es als Einleitung verwenden ohne weiter darauf eingehen zu wollen. Es steht, nebenbei bemerkt, auch in meinem Notizbuch:

"Wenn ein Mensch im laufe von zehn Stunden eine Grube von einem Kubikmewter aushebt, dann heben tausend Grabende diese Grube im Bruchteil einer Sekunde aus. Und genau wie sich diese Leute eher mit dem Spaten den Schädel einschlagen, als das erste Krümchen Erde beiseite Schaufeln würden, so lagen sich auch unsere unglücklichen Humies entweder untereinander oder mit uns in den Haaren, anstatt effektiv zu arbeiten."

Nachzulesen in Stanislaw Lems Die stimme des Herrn


Die Reise begann nun in Magdeburg, noch zusammen mit meiner Mutter, denn sie brachte mich nach Berlin, zum Flughafen.
Ich gebe ehrlich zu, ich war müde, aufgeregt und mies gelaunt. Ich bereitete mich auf den ersten Flug meines Lebens vor. Dennoch entgingen mir die Aufmuterungsversuche meiner Mutter nicht obwohl ich sie in diesem Moment sehr geringschätzte. Was wir Konkret redeten weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich, dass wir in Berlin, im Mc Donalds aßen und ich mich herzlich über einige Leute amüsierte, die neben uns saßen. Was sie beredeten, ist mir jedoch auch entgangen.
Wir haben die Zeit mit Knüppel und Gewalt totgeschlagen, nachdem wir uns mit eben selben den Mc Donalds fraß runter geprügelt haben. Um drei sollte unser Bus fahren. Ich weiß noch wie wir an der Bushaltestelle saßen und ich beobachten konnte, wie eine Junge Dame mit aller entschlossenheit auf eine Scheibe zubewegte, die sich nur dadurch als solche erkennen gab, dass sie erstens dreckig war, was in der Berliner Luft nicht sonderlich auffällt, und zweitens, kleine Vögel darauf gezeichnet waren. Ich habe mal gehört, diese dienen dazu, dass echte Vögel nicht gegen die Scheiben fliegen. Bei dem Mädchen hat es funktioniert, denn sie blieb kurz vor der Scheibe stehen.
Weiter erinnere ich mich an eine Busfahrt und einen ungefähr zwei Stündigen aufenthalt auf dem Berliner Flughafen worauf ein Abschied folgte, der mir erst einige Minuten später bewusst wurde. Denn erst als ich durch die Sicherheitskontrolle gekommen war und darauf wartete, dass ich endlich in den Flieger durfte, begann das Gefühl in mir zu keimen, dass ich nun, allein, auf dem Weg in ein völlig fremdes Land war.
Nicht, dass ich mich nicht darauf freute, meine Freundin, Sophie, wieder zu sehen, dennoch wurde in mir ein seltsames Gefühl wach. Schließlich war es das erste mal, dass ich Weihnachten nicht mit den Menschen verbrachte, mit denen ich seit nunmehr 19 Jahren und 11 Monaten zusammen lebte. Drei Wochen Japan, Fremdland, wenn man so sagen darf, standen mir bevor und ehrlich gesagt kannte ich aus Japan nichts. Ich bin nicht einmal ein großer Animé Fan sodass ich auch nie auf Japan gekommen wäre. Es lag auch viel zu weit von meiner geliebten Heimat entfernt.
Ganz und gar Kitschig ausgedrückt, war es also nur ein Mädchen, welches mich in dieses unbekannte Gebiet zog.

  • Weil ich gerade die Bemerkung mit den Animés gemacht habe, möchte ich anbringen, dass ich gar nicht so viel davon mitbekommen habe, dass sie bestandteil von Japan sind.

Im Flieger dann, begann ich meine Freunde zu vermissen, besonders meinen langjährigsten Weggefährten, als Irland auf dem Bildschirm im Flugzeug in Sicht kam, waren wir doch beide große Whiskyfans.
Um es an dieser stelle zu vervollständigen, ich vermisste einen anderen guten Freund als ich feststellte, dass es in Japan kaum bis gar keine bunte Farbe – Bilder, Schriftzüge – an den Wänden gab und einen wieder anderen, gerade frisch als guten Freund entlavten, (er ist, nebenbei, Japan- und Animéfan) als mir ein altes Al Capone Zitat einfiel.

  • Der letzte Teil ist mit einem Augenzwinkern dazugedichtet. Ich viele Menschen an den verschiedensten Stellen vermisst aber eher selten bis garnicht über Al Capone nachgedacht.

Meine Mutter vermisste ich, als Sophie mir etwas vorsetzte, was sie als Kürbissuppe bezeichnete.
Zum Abschluss, vermisste ich erstgegnannten Freund ein zweites mal, als ich im Londoner Flughafen einen Whiskyladen fand und hinter der Theke eine Reihe von bekannten Flaschen entdeckte: 16 Jahre alter Lagavulin. Das rief erinnerungen wach...
Weiter dachte ich an meinen Bruder, meine Schwester, ihren Freund, meinen Vater und viele mehr. Doch entweder sind mir die Situationen entgangangen oder unsinnig zu erläutern, oder werden später noch eine Rolle spielen. Ich bin mir dessen noch nicht ganz sicher.

Dieses Bild ist auf Gate A05 auf dem Londoner Flughafen entstanden.
Ich weiß von meinem weiteren Flug noch, dass er erstens lang war, ich zweitzens die meiste Zeit geschlafen habe und drittens neben mir ein Mann saß, der mich ständig weckte, weil er auf Toilette musste.

Außerdem wurde mir jedesmal, wenn ich auffwachte bewusst, dass ich entweder etwas zu essen oder den Kaffee verpasst hatte, weshalb ich die letzten drei Stunden wach blieb. Daraufhin stellte ich fest, dass ich eigentlich gar nichts verpasst hatte.

In Tokyo bin ich mit einem seltsamen Gefühl ausgestiegen. Es war eine Mischung aus: "Wo gibt es hier anständigen Kaffe?" und "Hilfe, wo bin eigentlich ich?"
Letzteres fand sich nach einer kurzren Unterhaltung mit einer Dame an der Information. Während sie mir erklärte, wo ich wie hin musste, blieb ich höflich und nickte. Erst als sie begann von einem Bus zu sprechen, war ich leicht iritiert. Auf die Frage, ob ich denn alles verstanden habe, antwortete ich enthusiastisch mit: "Yes... No..."
Die Freundliche Dame erklärte es mir erneut und ich bedankte und verabschiedete mich ohne etwas verstanden zu haben. Ich ging aber einfach in eine Richtung, in die sie gewiesen hatte.

  • Das japanische Englisch ist nur ein wenig leichter zu verstehen als Japanisch selbst. Im Grunde hangelt man sich von Wort zu Wort und versucht grob etwas zu verstehen. So wie ich weiß, dass ein Satz beendet ist, wenn man das Wort "Kurasai" fällt. Wie viele Sätze in der Zeit gesprochen wurden vermag ich jedoch nicht zu sagen.

Der zweite Mensch mit dem ich redete, war der Busfahrer der mich zum Terminal fuhr und bei dem ich mich vergewisserte, dass ich bei ihm richtig sei.
Der dritte Mensch war die Dame, die mir den Kaffee verkaufte.
Kurz möchte ich noch etwas zu der Busfahrt sagen, denn es war meine erste Busfahrt in Japan und meine erste im Linksverkehr.

"Ich bin außerstande zu begreifen, wieso man Leute ohne Führerschein im Straßenverkehr nicht zuläßt, auf die Bücherregale hingegen in beliebiger Anzahl die Bücher von Leuten ohne Anstand gelangen können, von ihrem Wissen ganz zu schweigen."

Nachzulesen in Stanislaw Lems Die stimme des Herrn

Ich möchte anhand meines nun folgenden letzten Fluges diese vollkommen bescheuerten, ständigen Zitate erklären: Ich hatte zwei Stunden vor mir und zum erstenmal wurde mir bewusst, wie kurz ich davor stand, meine Freundin wieder zu sehen. Dementsprechend war ich aufgeregt, trotz Müdigkeit. Außerdem hatte ich zuvor Kaffee getrunken und auch im Flieger konnte ich die Finger nicht von dem bitteren Gebräu lassen. Also las ich. Zu dem Zeitpunkt eben die Stimme des Herrn von Stanislaw Lem. Ich werde versuchen noch andere Zitate anzubringen.

Angekommen in Sapporo machte ich folgendes: Ich stolzierte voll Vorfreude aus dem Flieger, die Treppen hinab, durch die Gepäckausgabe, in die Vorhalle und... hatte meinen Koffer nicht mitgenommen. Das jedoch wurde mir erst bewusst, nachdem ich noch einige Minuten damit verbracht hatte, das zuletzt angefangene Kapitel fertig zu lesen. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich ein Koffer gut machte um sich darauf zu setzen und auf eventuelle Personen zu warten.
So war die vierte Person in Japan, mit der ich mich (Abgesehn von den Stewardessen im Flieger) unterhielt, wieder eine Dame von der Information, die mir freundlicherweise meinen Koffer holte.
Vor aufregung, und weil es mir Peinlich war, vor der Information zu warten, nachdem ich mich schon so auffällig als Erstflieger entlavt hatte, beschloss ich, meiner Freundin entgegen, zum Bahnhof zu gehen. Dort angekommen, und kurz gewartet, stellte ich fest, dass in der anderen Richtung auch ein Zugstop war weshalb ich den ganzen Weg zurücklief wo nunmehr meine Freundin vor der Information, vor der ich mich zu drücken versucht hatte, wartete.
Als wir unsere lange begrüßungszeremonie beendet hatten und uns nun lediglich zwei Hände verbunden, bot mir Sophie etwas zu essen an. Zur Auswahl standen: Fleischklößchen und Onigili (In Algen gewickelter Reis). Ich jedoch sehnte mich nach nichts mehr als nach Wasser. Selbstverständlich war mein Abholkomitee auch darauf vorbereitet. So drückte mir Sophie eine Flasche in die Hand, deren Inhalt ich nach einem kurzen Blick als Wasser identifizierte. Erst nachdem ich einen Schluck des vermeindlichen Wassers getrunken hatte, wurde mir verraten, dass es, aufgrund der Tatsache, dass man japanisches Leitungswasser nicht trinken konnte, abgekocht war.

  • Ich glaubte Sophie zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass man japanisches Leitungswasser tatsächlich nicht trinken kann. Dazu später mehr.

Die folgende Zugfahrt nach Toyoura war lang und es ist, soweit ich mich erinnere, nichts interessantes passiert.
Nun ist es aber wirklich Zeit zu erwähnen, dass in Japan wirklich wenig Schnee lag. Ich hatte, Erzählungen zufolge, damit gerechnet, dass ich mit meinen Stiefeln im Schnee versinken würde.
Aber der Schnee lag nur am Straßenrand und die Straße war nass. Sophie versicherte mir aber, dass der Schnee gerade geschmolzen sei. Und so zogen und trugen wir meinen zehn Kilo zu leichten Koffer (Ich hatte nur 13 von 23 im Flieger zugelassenen Kilo Gepäck) den Berg hinauf. Es war wirklich ein Stück auch wenn es mir später tatsächlich kürzer vorkam als am ersten Tag. Aber wie gesagt ich war müde. Endlich in meinem Heim für die folgenden drei Wochen angekommen, ging ich erst einmal zum Wasserhahn und trank einen tiefen, um nicht zu sagen den tiefsten, Schluck Wasser, und... spuckte ihn wieder aus. Zwei Dinge waren mir aufgefallen: erstens, war das Wasser sch***nekalt und zweitens hat es abgekocht doch besser geschmeckt.


Unser Wohn für drei Wochen. Dann doch mit Schnee. Zu dem Pinguin später mehr.
So in etwa endet der Anfang meiner Geschichte. Im weiteren werde ich über meinen Alltag in Japan berichten und ihr werdet mal ein Zitat von wem anderes zu lesen bekommen. Außerdem werdet ihr erfahren, wo die Enten bleiben.

Dienstag, 13. Januar 2015

Kälte. Folge 12: Befreiung

Das klingt doch nach...
Der Plane!
Jetzt wurde Aaron langsam klar, was passiert sein musste. Am Abend hatte er die Plane über seinen Unterschlupf gespannt. In der Nacht musste es noch einmal kräftig geschneit haben. Der Schnee hatte sich auf der Plane gesammelt und sie schließlich zum Absturz gebracht. Wie es aussah hatte er nur deshalb noch etwas Luft, weil er direkt an der Schneewand gelegen hatte, die dem Wind zugewandt war, und weil die Plane an dieser Seite gehalten hatte. So war ein dreieckiger kleiner Schneetunnel vom Eingang in seine Zuflucht an der Schneewand entlang bis zum anderen Ende übrig geblieben, nach oben hin begrenzt von der nunmehr schräg zwischen Boden und Schneemauer gespannten Plane. Reines Glück, dass er gerade hier gelegen hatte. Weiter in der Mitte wäre er vermutlich unter den Schneemassen erstickt.
Vorsichtig prüfte Aaron noch einmal die Beweglichkeit seiner einzelnen Körperteile. Viel war nicht zu machen. Die Plane hatte sich samt Schnee auf ihn gesenkt und sich seinen Körperkonturen zumindest so gut angepasst, dass nicht mehr als ein paar Zentimeter Bewegungsspielraum blieben. Zusätzlich wurde er von der dicken Schneekleidung behindert, in der er geschlafen hatte. Das letzte, was man sich wünscht, wenn man von allen Seiten so eingeklemmt ist, dass man sich kaum bewegen kann, ist dicke Kleidung, die schon den Gedanken an eine Verbesserung der Lage durch Nutzung der wenigen Freiräume absurd erscheinen lässt. Andererseits wäre er wohl ohne die dicken Sachen längst erfrohren. Vielleicht doch besser so.
Aaron kämpfte gegen die Panik, die wieder in ihm aufsteigen wollte. Die vielleicht schlimmste Folter für ihn war diese Situation absoluter Hilflosigkeit. Er wusste, dass er dieses Gefühl nicht zulassen durfte, verbot es sich, um nicht mit panischen Reaktionen die Chancen zu verspielen, die er noch hatte.
Schließlich hatte er sich soweit im Griff, dass er ruhig über seine Lage nachdenken konnte. Zunächst prüfte er vorsichtig, wie schwer die Schneemassen eigentlich waren, die ihn bedeckten.
Schwer.
Zu schwer.
Den Gedanken, die Plane samt Schnee einfach wegzuheben, konnte er vergessen. Er überlegte weiter. Überprüfte noch einmal alle möglichen Bewegungen. Den größten Spielraum hatten noch seine Füße. Die Plane hatte sich so über sie gespannt, dass ein kleiner Zwischenraum blieb. Wenn er jetzt... Er versuchte, die Hacken einzustemmen und sich durch heranziehen der Zehen ein Stück nach vorn zu schieben. Nein, so ging es nicht. Die Kraft reichte nicht aus. Wenn er aber zusätzlich die Schultern...
Eine Weile lang probierte Aaron herum, bis er endlich eine Möglichkeit fand. Wenn er zusätzlich zu der Arbeit mit den Füßen auch die Schultern hochzog, die Ellenbogen in den Boden stemmte und sich dann mit der Kraft seiner Schultern abdrückte, kam er tatsächlich voran. Nicht viel, nur zentimeterweise, aber auf diese Art kam er dem leuchtenden Fleck, der das Ende des Planen- und Schneedachs und damit den Ausgang markierte, zumindest näher. Verbissen arbeitete er weiter, entwickelte einen Rhythmus, der ihn Stück für Stück dem Licht näher brachte.

Als er mit dem Kopf ins Freie vorstieß und endlich den Himmel wieder sehen konnte, machte er eine Pause. Jetzt, so viel wusste er, war er gerettet.

Freitag, 9. Januar 2015

Kälte. Folge 11: Hilflos

In der Nacht hatte er einen dieser Angstträume, die ihn mitunter heimsuchten. Er träumte, er säße wieder in der Blockhütte, von der er a Morgen losgewandert war. Er hatte sich auf einem zerschlissenen Sessel niedergelassen und beobachtete die Tür. Besser gesagt, er starrte in die Richtung, in der sich die Tür wohl befinden musste, denn erkennen konnte er nur seine unmittelbare Umgebung. Die gegenüberliegende Seite des Raums war in Dunkelheit gehüllt. Genau genommen war nicht einmal zu erkennen, ob das Zimmer dort endete. Vielmehr machte es den Eindruck eines Tunnels oder Schachts, tief unter der Erde. Und dort, in der Finsternis, dort lauerte etwas, das spürte er. Eine Gefahr, nicht ganz klar, welcher Art eigentlich, aber was auch immer es war, es hatte es auf ihn abgesehen. Oder machte er sich etwas vor? Stand dort vielleicht jemand ganz ungefährliches und sorgte nur seine Fantasie dafür, dass sein Herz so beängstigend schnell schlug? Aaron beschloss, nachzusehen. Er spannte seine Muskeln an, um sich aus dem Sessel zu erheben, stemmte die Arme ein.
Kam nicht hoch.
Was war los? Er war unfähig, sich zu bewegen. Den Kopf drehen, das ging noch. Alle anderen Körperteile waren schlaff wie Sandsäcke. Als hätte jemand 90 % seiner Muskeln durch eine Schaumstofffüllung ersetzt. Er konnte, was noch da war, anspannen, wütende Anstrengungen unternehmen, sich endlich zu bewegen, aber sein eigener Körper war für seine auf geheimnisvolle Weise geschrumpften Kräfte zu schwer. Er konnte nicht aufstehen. Nicht wegrennen.
Sich nicht verteidigen.
Jetzt war er sich ganz sicher, dass es in der Dunkelheit etwas Böses gab. Und er spürte ganz genau, dass es näher kam. Panik erfasste ihn. Hier saß er nun und war dem namenlosen Schrecken hilflos ausgeliefert. Was konnte er noch tun? Nichts! Ihm blieb nur, zu warten, bis ihm das Wesen aus den Schatten den Tod bringen würde. Oder schlimmeres.
Verzweifelt versuchte er noch einmal, sich zu bewegen, zerrte panisch an seinem eigenen Unterarm, um ihm wenigstens eine minimale Bewegung abzutrotzen, die vielleicht, mit ein wenig Glück, die Lähmung aufheben und ihn erlösen würde. Er spürte, wie er immer unkontrollierter wurde und die Panik Besitz von ihm ergriff, wollte schreien...

Und wachte auf. Schweißgebadet, erleichtert, aber immer noch halb im angstvollen Traumzustand gefangen. Beruhigte sich langsam.
Und stellte fest, dass er seinen rechten Arm tatsächlich nicht bewegen konnte.
Da war sie wieder, die Panik. Ein Blick nach rechts. Eine dunkelgrüne Wand. Der Arm darunter eingeklemmt. Aha, daran lag es also. Keine unerklärliche Lähmung. Einfach nur ein schweres... Ja, was eigentlich?
Aaron versuchte, den linken Arm zu bewegen, was auch nicht ohne Weiteres gelingen wollte. Eingeklemmt zwischen Körper und Schneewand, na gut, die hatte er wenigstens selbst da hingebaut. Ein bisschen Kraft und schon ist der Linke Arm frei. Jetzt damit hinübergreifen und die grüne Wand befühlen...

Nicht so hart, wie zuerst gedacht. Nachgiebig, aber ziemlich schwer. Er strich darüber. Ein schabendes Geräusch erklang. 

Donnerstag, 8. Januar 2015

Das Immorium - Folge 5

 Aerin griff nach der Flasche Scotch und als sie sie gerade öffnen wollte, stellte sie fest, dass das Glas bereits gefüllt war. Jedoch nicht mit Scotch sondern mit einer seltsamen leicht rötlichen Flüssigkeit. Es schien jedoch nicht wie Blut oder schon wie Blut jedoch stark verdünnt. Sie roch an dem Glas und stellte fest, dass es nach Scotch roch. Hatte sie sich ohne es mit zubekommen doch eingegossen? Doch warum war die Flüssigkeit rot?
Anstatt weiter über fragen zu philosophieren die sie nicht beantworten konnte, beschloss sie, sie lieber ihrem Tagebuch zu stellen. Sie zündete sich also eine Zigarette an und widmete sich wieder dem Buch. Anschließend las sie sich das bisherige Werk noch einmal durch:

Bin anstatt in Slikhem in einer kleinen Stadt namens Blokhel angekommen. Ich muss mich wohl verlaufen haben. Ich werde mich morgen nach dem weg nach Slikhem erkundigen. Diese Nacht verbringe ich hier.
Ich habe mir Scotch bestellt doch der Gastwirt hat mir wohl ein dreckiges Glas gebracht. Ich werde mich Morgen beschweren.

Sie ergänzte als Notiz:

Blut im Scotch – Kriminalroman?

Dazu möchte ich sagen, dass Aerin tatsächlich nur wenige Jahre später einen Roman raus brachte, in dem sie ihre Erlebnisse in Blokhel behandelte. Der Name des Romans lautete: „Scotch – Medium“. Was das zu bedeuten hat, soll jetzt jeder für sich überlegen.
Nachdem Aerin ihre Notizen ergänzt hatte, stand sie auf um das Glas auszuwaschen. Während sie dies tat, blickte sie zu ihrem Tisch und als sie feststellte, dass die Scotchflasche bereits geöffnet war, runzelte sie die Stirn. Sie hatte sie doch nicht geöffnet. Zuvor hatte sie doch fest gestellt, dass ihr Glas bereits gefüllt war. War sie denn nun völlig verrückt geworden?
Nun war die Flasche allerdings offen und so füllte Aerin ihr soeben gewaschenes Glas gleich wieder oder weiter darüber nachzudenken, ob sie die Flasche nun geöffnet hatte oder nicht. Sie zog an ihrer Zigarette und schrieb in ihrem Bericht zu dem Thema nur folgendes:

Es ist spät und ich scheinbar müder als gedacht. Vielleicht sollte ich auch aufhören mit trinken.

Sie betrachtete den letzten Absatz und ergänzte dann:

Oder aufhören mit rauchen.

Sie zog ein letztes mal an ihrer Zigarette und drückte sie anschließend aus doch als sie wie gewohnt nach dem Glas mit dem Scotch griff, stellte sie fest, dass es nicht neben ihr stand. Sie sprang auf und schaute überall nach. Auf dem Tisch wie unter dem Tisch. Schließlich fiel ihr Blick auf das Waschbecken in dem sie das Glas gewaschen hatte.
Sollte sie es tatsächlich dort hingestellt haben? Jedenfalls stand es dort.
Sie ging zum Waschbecken hinüber, nahm das Glas und trank einen Schluck. Ihr Blick fiel kurz auf die Uhr, dann ging sie zum Spiegel um sich zu betrachten denn sie war der Meinung, sie müsse Müde aussehen. Und tatsächlich zeichneten tiefe Augenringe ihr Gesicht. Doch etwas anderes sprang ihr plötzlich ins Auge.
Aerin ließ das Glas fallen. Es war eindeutig. Die Flüssigkeit hatte schon wieder diese rote Färbung gehabt.

Sie betrachtete die Scherben und als sie sich herunter beugte um sich zu vergewissern, erschrak sie erneut. Die Flüssigkeit war noch immer rot doch nicht mehr so verdünnt wie zuvor. Und sie roch auch nicht mehr nach Scotch. Hatte sie tatsächlich Blut getrunken?