Von Mr.Big
„Scheiße, man, dass kann doch einfach
nicht wahr sein!“, schreie ich in mein Mobiltelefon, während meine Handfläche auf
den Tisch saust und das halbe Gedeck von der Platte fegt. Schon wieder eine
Kündigung wegen ungebührenden Verhaltens gegenüber einem Klienten. Ich kann nun
mal kein Arschloch vertreten. Klar hätte ich ihm das, als sein Anwalt, nicht
gleich ins Gesicht sagen müssen, aber so bin ich nun mal. Sehr direkt.
Jetzt
knalle ich mein Handy auf den Tisch, um meinen Gedanken Nachdruck zu verleihen.
„Ich hab da echt keinen Bock mehr drauf, hörst du“, schreie ich der Sekretärin
der Kanzlei entgegen. Gut, dass ich ein Organ wie eine Sirene habe. Der Mann
gegenüber guckt mich an, als wäre ich sonst wer. Dabei kennt er mich überhaupt nicht.
Er sieht aus wie das Alien aus Independence Day. Oder das Alien aus Alien.
„Ey
kannst du mal diesen Fettfleck aus meiner Sicht bewegen, Kollege?“ Ungefragt
schiebe ich das Ding, was er Sohn nennt und mir die Sicht aufs Café versperrt,
zur Seite. „Warum muss es auch immer chinesisches Essen sein“, rufe ich und
schmeiße mit gehörig Schmackes seinen Teller samt Belag zu Boden. Sushi sei immer
noch japanisch sagt der Dämlack kleinlaut neben mir. Das wollte der jetzt wohl
unbedingt loswerden, jetzt wo ich so richtig in Rage verfalle. Zu mehr kommt er
nicht, ich schneide ihm das Wort ab. Denn ich gebe mich nicht mit Kleinigkeiten
zufrieden. „ Freiheit für die Wale!“, rufe ich, „Pinguine an die Macht!“ Eine
Faust gen Himmel gewandt, das Paar Füße, das ich habe, zu Boden. Meine freie
Hand formt das Metalzeichen. Es lebe die Revolution.
Die
anderen Gäste gucken mich an, als ob ich ein Clown wäre und mein Gesicht ein
Daumenkino. Man Leute, ich braucht nun mal zwei Hände, um mich lesen zu können,
versteht ihr’s endlich? „Diesen eingerollten
Dünnpfiff kannst du vielleicht deiner Ehefrau servieren, aber nicht mir“, gröle
ich nun auf Mandarin den herbeigeilten Kellner an. Warum ich Mandarin kann? Hab
ich auf Youtube gelernt, du Pilot!
Außerdem wird es von einem Siebentel der Menschheit gesprochen. Bäm!
Zurück
zu diesem Typen. Dieser kleine zugekokste Zahnbelag von Mensch. Ein richtiger
Homunkulus. Jetzt auch rezeptfrei in ihrer Apotheke. Flaumt der wirklich herum
und spuckt Galle nach mir. Dabei hab ich ihm noch gar nichts getan. Bei Samsung
sei er ein großes Tier, flüstert er, außerdem Gehirnchirurg. Er arbeitet hier
nur, weil er sein eigener Herr sein will und müsse sich das hier nicht bieten
lassen. Ich lasse ihn wissen, dass mir Sony eh viel lieber ist und er eilt
beleidigt zur Theke zurück.
Ich
bleibe. Stehend. Wütend. Wartend.
Die
Mitesser um mich herum mustern mich misstrauisch. Doch das kann mir gar nichts.
Ich
mache mir ein Reisbier auf. Zisch. Klack. Gluck, gluck, gluck. Ah.
Etwas
verändert sich.
Jetzt
vibriert mein ganzer Körper. Ich male einen Schneeengel in die Luft. Falls ihr
denkt, das ist Gymnastik, dann habt ihr falsch gedacht. „In diesem Saftladen kümmert
sich aber auch niemand um seine wildgewordene Kundschaft.“ Mir wird langweilig,
also beginne ich mit Fischmessern nach Omis zu werfen. Ein besonders schönes
Exemplar der Gattung Homo sapiens-Knitterfalte läuft gerade mit einem Rollator
an mir vorbei und zeigt mir anschließend den Stinkefinger. Respekt, die Frau
hat Schneid. Im nächsten Moment kriegt sie einen Löffel ins Gesicht. Warum? Ich
bin halt ein lieber Kerl.
Trotzdem
schimpfe ich weiter in perfekt akzentuiertem Mandarin auf alles um mich herum
ein. Da eilt aus dem Innern des Restaurants auch schon der Endgegner herbei. Ein
dicker Sumoringer kommt auf mich zu.
Weiße Haut, schwarzer Umhang. Wahrscheinlich verwendet er die Harakiri-Tsunami-Technik.
Tod durch Schwitzen. Wenn ich ihn mir so anschaue, dann denke ich nur: Da kommen
1000 Kilo purer Frust.
Ich
reiß‘ mir die Hose vom Leib. So macht man das beim Showdown in den Filmen oder
nicht? Auf dem Flatscreen an der Bar
singt Kim Jong-un „What does the fox
say“, während im Hintergrund mit einem „Hatee-hatee-hatee-ho“ Raketen starten.
Hat’s der kleine Wichser also doch noch getan. Naja, um den kümmere ich mich
noch später.
Ich
wende mich der Sumorolle zu. Mr. Lover-Lover holt ein Samuraischwert aus seinem
Tanga raus und schneidet sich damit durch meinen Tisch wie durch Butter. Ich
falle zu Boden und knackse mir den kleinen Finger. Hätte ich mal nicht das
Metalzeichen gemacht, verfluchte Scheiße.
Ich
vollführe einen doppelten Rittberger und lande schließlich auf dem Bauch. 10
Punkte-Landung. Nun bin ich der Fisch im Wasser. Und du bist meine Bärbel.
Ablenkungsmanöver! Ich packe das fette Kind von vorhin und schmeiß es ihm ins Gesicht.
Doch es hält ihn nicht auf. Grunzend packt er es, beißt ihm ein Ohr ab und
schmeißt es zur Seite. Mike Tyson-Style. Ich beginne Anerkennung für ihn zu
empfinden.
Tja,
was bleibt dir übrig in so einer Situation? Job kaputt, Teller kaputt, Tisch
kaputt, Kind kaputt. Warte, mein Sitzkumpel ist noch ganz. Dieses kleine
Drecksgesicht.
An
dieser Stelle möchte ich klarstellen, ich habe eigentlich nix gegen ihn. Aber kennste
einen, kennste alle. Typisch Bielefelder eben. Die sind so echt, die gibt’s gar
nicht. Und das regt mich auf. Außerdem hat(te) er ein nerviges Kind. Ich haue
ihn mit Karacho eins in die Fresse, sodass seine Atzenbrille in weitem Bogen auf
den Bordstein fliegt. Sie liegt da recht bequem neben den Resten des Tisches.
Ich
hoffe ihr habt bis jetzt jedweden Subtext mitgekriegt. Naja wenn nicht, jetzt
ist es eh schon zu spät. Ich greife nach der Obstschale und werfe dem
Samsungkellner hinter der Theke eine penisförmige Südfrucht ins Auge, während
ich „Banana-Rama-Baby“ rufe. Soll der ja auch sein Fett wegkriegen! Dem
1000 Kilo Sushi-Samurai trete ich einfach nur in die Weichteile. Wie gesagt, ich
bin eigentlich ein netter Kerl und will ihm ja nicht ernsthaft wehtun. Das
Schwert nehme ich aber trotzdem als Andenken mit, meine Brotmesser sind etwas
stumpf in letzter Zeit. Das Ohrläppchen des Jungen lass ich natürlich liegen,
das wär ja pietätlos. Zum Abschluss frage ich Freund Sumo noch, ob er mich bei
Facebook adden will. Er sagt irgendwas über Hunde und meine Vorfahren. Wenn
sein Skrotum schmerzt, hat er wohl keinen Sinn für Humor.
Als
ich nach Hause komme, lege ich das Samuraischwert in die Spüle und gehe ins
Wohnzimmer zu meiner Freundin. „Du wirst nicht glauben, was mir heute im Cafe
passiert ist“, setze ich an. Sie sitzt auf der Couch und dreht sich lustvoll
stöhnend zu mir um. Da merke ich, dass
sie einen Elektroschocker in der Hand hält und auf meine Kronjuwelen zeigt. „Du
weißt, was dich erwartet, Cowboy.“ Mein Colt sitzt immer locker und sie weiß
das. Also schwing ich das Lasso. Warum liegt da eigentlich Stroh? Und wieso
habe ich eine Maske auf? Egal, manche Dinge sollte man nicht hinterfragen, weil
sie Kunst sind. Und Kunst braucht keine Erklärung. Mit diesen Worten. Gute
Nacht.