Ihr werdet niemals, nie erraten
wem ich vor kurzer Zeit begegnet bin
Es war ein düst'rer Tag, ich fühlte
mich verraten,
verkauft, verpfiffen und die, die dies
taten
hatten als Freunde mich zuvor beraten
doch plötzlich änderten sie ihren
Sinn.
So war ich einsam nun, verlassen und
alleine
das Leben kam mir sinnlos vor und dann
wurde es kalt in mir, ich lenkte meine
Beine
auf eine Klippe zu, dahinter der nicht
eben kleine
Abgrund klaffte, von dem ich damals
meinte
dass er mich von dem Schmerz erlösen
kann
Der Sturz ging schnell, der Schmerz war
kurz, es kam die Schwärze
ich wusste nichts von mir, ich wusste
nur,
dass etwas weiter vorne eine Kerze
(oder ein andrer Lichtquell, funkelnd
wie aus Erze)
mich zu sich rief, und freudig sprang
mein Herze
und folgte ihm auf seiner hellen Spur
Als ich jedoch den Ursprung jenes
Scheins erreichte
erblickte ich dort einen kleinen Mann
der war nicht jung, nicht alt, nicht
schwer noch leichte
und als er mir die Hand zum Gruße
reichte
konnt' ich nicht anders, als dass ich
erbleichte
Er lächelte und fing zu reden an
„Du bist“, so sprach er, „wahrlich
weit gekommen
und hast schon viele Dinge hier
gesehen.
Was du getan hast aber, ich seh' es
verschwommen
ist nicht zum Guten stets geworden und
gekommen
was du nicht hättest nehmen dürfen,
hast du dir genommen
drum ist es an der Zeit, mit mir zu
gehen.“
„Wer bist du denn?“ so fragte ich
ihn ängstlich
„Ich habe dich noch nie zuvor
gesehen.
Und doch sagt eine Stimme mir, ich
kennt' dich
du bist so fremd, so freundlich, doch
nicht menschlich
und alles was du sagst ist so
befremdlich“
Da lachte er als wär's um ihn
geschehen
„Ich bin, der euch zur bösen Tat
verleitet
der euch die Werkzeuge des Mutwill'n
ausgebreitet.
Ich bin, der euch in Furcht und
Schrecken setzt,
euch euer Leben lang zu Tode hetzt.
Bin bei euch von der Wiege bis zur
Bahre
auf dass euch nichts vor mir dereinst
bewahre
ich nehm' euch mit, seid ihr erstmal
verschieden
und nehme euch die Freud' am ew'gen
Frieden
sperr' euch in meinem Reich in eine
Zelle
und mach den Tod euch da – wörtlich
– zur Hölle!
Willst du noch immer meinen Namen
wissen?
Du hättest ihn doch längst erraten
müssen!
Ihr nennt mich Beelzebub, Mephisto oder
Satan
Luzifer, Schaitan, Beliar oder Urian
Ich bin Versucher, der zum Bösen erst
verführt
und was später er bestraft zuvor
gebiert
Ich sähe und ich ernte Hass und
Zweifel
für dich, mein Freund, bin ich einfach
der Teufel“
Er winkte mir, mit ihm den Pfad nun zu
beschreiten,
der uns in tiefste Höllenkreise führte
er wandte sich zum Gehen und bei Weitem
wagte ich nicht, mit ihm darob zu
streiten
als ein Gedanke anfing, mich zu leiten,
aus dem heraus ich seine Schulter sanft
berührte
„Halt ein“, sprach ich, „das
Spiel ist abgekartet
endlich hab nun die Wahrheit ich
erkannt.
Du tust so böse, weil man es erwartet,
nur darum scheint dein Leben so
entartet
im Innern bist du gar nicht so
verhartet
denn eigentlich bist du ein guter
Mann.“
„Was hör ich da, du zweifelst meine
Bosheit an?“
Bist du denn taub? Was hab ich gerade
hier verkündet?
Von meiner Schandtat gegen jedermann?
Von allem was ich tu und was ich kann?
Du meinst, trotz allem, was ich schon
getan
gibt’s einen, der mich noch
nicht böse findet?“
„Jawohl“, so sprach ich, „denn
der wahre Übeltäter
ist ein ganz anderer, das sieht im
Grunde jeder.
Hast du etwa den Ozean vergiftet
und dich mit schweren Waffen
aufgerüstet?
Hast du damals die Kohlekraft
erfunden
und drehst mit schweren Drohnen deine
Runden?
Ist's deine Schuld wenn hier und
da auf Erden
die Menschen Kriegs- und Terroropfer
werden?
Und Kinderschändung, Folterkeller,
Völkermord –
schreibst du diese Geschichte
ewig fort?
Du holst nur ab, was wir bereits
vernichtet,
doch hast du selbst noch keinen
hingerichtet.
Kein Blut klebt noch an deinen
Teufelshänden,
du siehst zwar ständig zu, wenn Leben
enden,
doch bist du nur der Knecht, der sie
empfängt
und – nach dem hohen Richtspruch –
zur Bestrafung bringt.
Doch wer ist es, der all dies Leid
verschuldet,
wer mordet, plündert, schändet und
erduldet
all dies, obwohl er etwas ändern
könnte?
Es ist der Mensch! Ja, wir sind es am
Ende.
Du, Kamerad, brauchst dich für nichts
zu schämen
wir müssen hier die Schulden auf uns
nehmen,
weshalb ich uns're Rollen leicht
bezweifel'
in Wirklichkeit bin ich doch hier der
Teufel!“
Verwirrt kratzte der Mann sein blankes
Haupt
so hatte er das wohl noch nie gesehen
Der Mensch, der Teufel, Bosheit
überhaupt,
So kompliziert! Die Frage sei erlaubt:
War er denn noch der Hölle Oberhaupt?
So dachte er wohl, und blieb sinnend
stehen.
„Du hast wohl Recht“, so sprach er
schließlich leicht pikiert,
„ich bin viel besser, als ich immer
dachte
Ich war wohl einfach schlechter
informiert
hab niemals ernsthaft an der Frage auch
gerührt,
auch wenn ich immer irgendwo es leis'
gespürt,
dass ich mir wirklich nichts aus diesem
Leben machte
Drum überlass' ich die Geschäfte
besser dir,
der du dich so viel besser dafür
eignest.
Du wirst schon wissen, wie die Sache
funktioniert,
Du hast das Böse ja auch stets in dir
gespürt,
bist ja ein Mensch, der soetwas
goutiert
Ganz anders ich, den sowas eher kalt
lässt
So ging er froh beschwingten Schritts
von dannen
und ich blieb mit Erleichterung zurück
Ich war dem Tod gerade so entronnen
Das Leben, das ich opfern wollte, hatte
ich gewonnen
war knapp den Höllenqualen nun
entkommen
doch jetzt war ich vom Leben ganz
entzückt
Ich wandte mich zum geh'n, doch starkes
Stechen
bremste den Gang ins Nichts, es hielt
mich auf
Es war, als wollten Kopf und Herz
zerbrechen
doch jemand wollte dringend mit mit
sprechen
ich mühte mich, das Dunkel zu
durchbrechen
ich öffnete die Augen – und ich
wachte auf.