Jeder
Mensch kommt früher oder später in seinem Leben an einen Punkt, an
dem in ihm der Wunsch geweckt wird, in der Zeit zurückzureisen und
ein Ereignis für immer aus seinem Lebenslauf zu streichen. Für die
meisten Menschen ist das unmöglich, aber wie das bei
Möchtegernschriftstellern eben so ist, habe ich das Glück, genau
neben einem genialen Erfinder à la Daniel Düsentrieb oder Hubert
Farnsworth zu wohnen, der nichts lieber tut, als den lieben langen
Tag über Zeitmaschinen zu erfinden und Dimensionslöcher zu bohren.
Mit der Zeit habe ich mir einen Status als regelmäßiges
Versuchskaninchen für seine Experimente erworben und damit das
Recht, zu jeder Tageszeit an seiner Tür zu klingeln und eine seiner
Erfindungen zu benutzen.
Obiger
Zeitpunkt des Wunsches nach einer Revision bestimmter Teile meines
Lebens kam bei mir bei einem Besuch im Schwimmbad. Ich war mit
Freunden dorthin aufgebrochen, aber da Freunde nicht immer freundlich
sind, war ich mir nicht ganz im Klaren darüber, mit was für Leuten
ich es wieder verließ. Wahrscheinlich immer noch mit Freunden. Mit
unfreundlichen Freunden eben.
Schuld
an der ganzen Sache waren allerdings gar nicht mal die Leute, seien
es nun Freunde oder nicht, die mit mir das Schwimmbad besucht hatten.
Schuld war einzig und allein die wunderschön bunt gestreifte
Badehose, die ich an diesem Tage das erste Mal anhatte. Nicht nur,
dass die Farbgebung jeden noch so weit gezogenen Rahmen guten
Geschmacks sprengte, auch die Form sprengte kräftig, besser gesagt
sie wurde gesprengt und zwar von meinem wunderschön gewölbten
Gesäß, das, im Versuch, mich zu bücken allzuweit gen Himmel
gereckt, plötzlich jeglicher Verhüllung entbehrte. Wie man sich
denken kann führte diese Szene zu allgemeiner Neckerei und
Schabernack, was ich zum Anlass nahm, den Besuch des Bades schleunig
zu unterbrechen und dasselbe zu verlassen, freilich nicht allein
sondern in Begleitung all derer, die mich gut genug kannten, um das
Recht zu haben, das Ziel ihres Spottes noch bis vor die Haustür zu
begleiten.
Als
ich dann also endlich zu Hause auf meinem Sofa saß, nunmehr mit
intakter Bekleidung, regte sich in mir der Wunsch, in der Zeit
zurückzureisen und die Ursachen dieses Desasters im Keim zu
ersticken. Ich wollte in den Laden gehen, in dem ich die Badehose
ohne hinzusehen vom vordersten Ende einer Stange gegriffen und
gekauft hatte, um sie dort bevor ich sie kaufen konnte gegen ein
stabileres Exemplar auszutauschen.
Wie
immer, wenn ich ein unlösbares Problem hatte, ging ich zu meinem
erfundenen Nachb... erfindenden Nachbar und fragte ihn um Rat.
Purer Zufall wollte es, dass er gerade eine Zeitmaschine fertiggestellt hatte, für die
er noch einen Tester brauchte. Ich meldete mich ohne zu zögern
freiwillig und wenige Minuten später saß ich fest angeschnallt in
einer kleinen Kapsel und hörte den Countdown ablaufen. Ein lauter
Knall ertönte, ein Lichtblitz zuckte auf und ich war ohnmächtig.
Einige
Tage früher wachte ich auf. Ich befand mich nicht mehr in der
Wohnung meines Nachbarn. Vielmehr lag ich in einem Blumenbeet vor
unserem Haus. Immerhin, für einen Prototyp annehmbar. Ich rappelte
mich auf, klopfte mir die Erde von den Klamotten und machte mich auf
den Weg zum Kaufhaus.
Schnell
begab ich mich in die Bekleidungsabteilung. Ich sah auf die Uhr. Gut,
einige Minuten hatte ich noch. Ich suchte den richtigen
Kleiderständer heraus, entdeckte auch gleich etwas weiter hinten
eine stabiler aussehende Badehose und hängte sie ganz vorne an. Zur
Sicherheit nahm ich das Unglücksexemplar, das ich um keinen Preis
wieder erwischen wollte, ab und versteckte es irgendwo zwischen ein
paar Anzugjacken an einem anderen Ständer. Dann verkroch ich mich in
eine Ecke des Ladens, von der aus ich sowohl den Eingang als auch die
Badehosen im Blick hatte und wartete.
Wie
erwartet tauchte ich, also mein Vergangenheits-Ich, eine halbe Minute
später in der Tür auf. Ich sah, wie ich einen Blick auf die Uhr an
meinem Handgelenk warf und dann schnellen Schrittes in Richtung der
Badesachen ging. Achtlos griff mein einige Tage jüngeres Selbst nach
den Badehosen und ich triumphierte in meinem Versteck als ich sah, um
welches Exemplar sich meine Finger schlossen. Da geschah etwas unerwartetes. Die ganze Welt bekam auf einmal - ich weiß keine bessere Beschreibung - Schlagseite und ein Stück von ihr, das
Stück, zu dem ich gehörte, wurde hinausgeworfen. Das ganze
Universum – oder besser: die ganze Zeit – bäumte sich auf und
riss mich aus dem normalen Strom der Geschehnisse. Was war passiert?
Nun,
ich war bei meiner Zeitreise sehr unbedacht vorgegangen. Eine Reise
in der Zeit stellt die Logik auf eine harte Probe. Mein Nachbar hatte
eine Möglichkeit gefunden, die Gesetze der Logik bei einer Zeitreise nicht zu brechen.
Seine Maschine bog sie gewissermaßen zurecht. Dadurch waren sie aber
schon ordentlich unter Spannung. Alles, was ich in der Vergangenheit
tat, musste ich mir genaustens überlegen, um keinen logischen
Zwiespalt hervorzurufen.
Nun
war aber genau das geschehen. Als ich mich selbst daran hinderte, die
meiner Ehre schädliche Wasserbekleidung zu erwerben, nahm ich mir
damit auch den Grund, überhaupt in die Vergangenheit zu reisen. In
dem Moment nämlich, in dem mein Vergangenheits-Ich durch meinen
Eingriff eine stabilere Badehose kaufte, hatte ich dafür gesorgt,
dass es jene peinliche Situation niemals erleben würde. Mein
Vergangenheits-Ich würde also nie auf die Idee kommen, in die
Vergangenheit zu reisen und gewissermaßen das Ich aus seiner
Vergangenheit am Badehosenkauf zu hindern, da es ja mit seiner
Badehose durchaus zufrieden war. Da es aber ich war, hatte es damit
meine Vergangenheit geändert. Ich war nie in die
Vergangenheit gereist. Ich hatte nichts am Badehosenkauf
geändert, was hieß, dass ich die schlechtere Badehose gekauft haben
musste, da ja niemand dagewesen war, mich daran zu hindern. Ein
Paradoxon war entstanden, ein logischer Widerspruch, da zwei mögliche
Abläufe derselben Szene jeweils zur Folge hatten, dass die jeweils
andere passiert sein musste, obwohl sie sich gleichzeitig gegenseitig
ausschlossen. Die Zeit konnte mit dieser Art Widerspruch noch nie
umgehen und hatte mich und den gesamten Vorgang aus dem normalen
Zeitstrom gerissen. Das Leben geht ohne mich weiter. Vermutlich. Ich
jedoch bin gefangen in einer Zeitschleife. Immer wieder durchlebe ich
die beiden Möglichkeiten, wie die Geschichte mit der Badehose
passiert sein könnte. Immer wieder erlebe ich die Peinlichkeit im
Schwimmbad, reise in die Vergangenheit, vertausche die Badehose,
nehme dadurch die stabilere, erlebe im Schwimmbad keine beschämenden
Szenen, reise daher nicht in die Vergangenheit, verändere also
nichts an der Badehosenauswahl und suche mir also die schlechtere
aus...
Gestern
war es mal wieder soweit. Ich habe die falsche Badehose ausgesucht
und wer etwas zu lachen haben will, muss also morgen ins Schwimmbad
kommen. Diesen Text veröffentliche ich nun schon zum werweißwievielten
Mal. Aber ich bin mir dessen nicht bewusst. Ich verändere ja in
jeder neuen Runde meine Vergangenheit und kann mich daher nicht daran
erinnern, dies alles schon einmal erlebt zu haben. Ich glaube genauso
wie ihr, dass dies nur ein Text ist, den ich mir ausgedacht habe und
klopfe mir insgeheim auf die Schulter dafür, dass mir ein Schluss eingefallen ist, bei dem ich mich und die Leser mit einbeziehen kann. Was mir nicht klar ist ist, dass
mein Unterbewusstsein mir diese Zeilen diktiert hat, sie mir immer
wieder diktiert, da es einige Erinnerungen über die Barrieren der
Zeit hinweg festhalten konnte. Es sendet diesen Text durch mein
unwissendes Bewusstsein – als Hilferuf! Ich stecke fest, kann nicht
weiter und zurück natürlich schon gar nicht. Ich weiß nicht, wie
dieser Zustand zu beenden ist. Vielleicht weiß es jemand von euch?
Dann helft mir! Aber macht euch nicht die Mühe, mich darauf
anzusprechen. Denkt daran, ich halte diesen Text für fiktiv. Ich
würde euch wahrscheinlich auslachen. Aber ich brauche eure Hilfe!
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