Von Mr. Big
III
Ihre braunen, unergründlichen Augen
lassen keine Rückschlüsse darauf zu, was sie über mich denkt. Ich bemerke, dass
wir mit zunehmender Dauer Krümel produzieren, die sich wie kleine Geröllhäufchen
auf dem Tellerboden absetzen. Ich schaue auf den Haufen und sehe das Ende
unseres Treffens, die unsicheren Tage danach, ich sehe unbeantwortete Anrufe
und Mailboxnachrichten. Der Strom an negativen Gedanken nimmt zu, ich muss ihn
eindämmen, und zwar schnell, sonst droht er mich mitzureißen. Da stelle ich
fest, dass ich es bin, der den Schutt produziert. Also kann ich ihn auch wieder
entfernen. Ich hole weit aus und tauche meine Gabel in das Geröll und schlucke
meine Sorgen einfach runter. Johanna sieht, wie energisch ich mich über den
Schutt hermache und beginnt zu lachen.
„Wawf if so wiffig?“ halte ich ihr mit
vollem Mund entgegen, was dazu führt, dass wir beide loslachen müssen.
„Nur so, ich wollte mich gerade auch
über diese verdammten Krümel hermachen! Kann ja nicht sein, dass das Einzige,
was von diesem schönen Kuchen bleibt, diese Krümel sind. Klar, sie gehören
dazu. Aber so schlimm sind sie ja auch nicht.“
Kurios. Das ist der Moment, wo ich
realisiere, dass wir total auf der gleichen Wellenlänge sind. Als wir zu Ende
gegessen haben und der Aufbruch naht, stelle ich fest, dass ich die Frage aller
Fragen noch nicht gestellt habe. Will sie mich wiedersehen? Ich bezahle, bringe
ihr den Mantel und versuche meine Chancen aus ihrem Gesicht zu lesen. Sie
lächelt mich an. Zum ersten Mal sehe ich die Silberkette, die sie die ganze
Zeit um ihren Hals trug. An der Kette befindet sich ein Anhänger, der ein
verliebtes Paar zeigt. Ein Zeichen? Ich hole tief Luft. Wer nicht wagt, der
nicht gewinnt.
„Ich muss dich wiedersehen.“, sage ich
in dem Moment, als wir auf die Straße gehen.
„Wenn du das musst, dann müssen wir
das wohl so machen.“
„Soll ich dir schreiben?“
„Gerne, ich melde mich dann bei dir
und bin beim nächsten Mal auf jeden Fall pünktlich.“
„Ich nehm dich beim Wort…und danke für
den tollen Nachmittag.“
Mit einem Lächeln geht sie davon. Ich
schaue ihr hinterher, wie sie die Straße entlangläuft und werde dieses Gefühl
nicht los, das absolut Richtige getan zu haben. Ich drehe mich um und mache
mich auf den Weg zur nächsten Busstation. Als ich die Mauer neben dem Café
entlanggehe, bemerke ich, dass jemand die Worte „Der Tag gehört dir“ an die
Wand gesprüht hat. Ich bleibe kurz stehen und genieße die herbstliche Luft.
Dann richte ich meinen Hemdkragen, kuschel mich in meine dicke Jacke und
beginne den Heimweg in Richtung Zukunft. Was auch immer die nächste Station
sein wird, nur eines steht fest: Es wird großartig.