Er stand vor der
bekannten Tür, ungläubig, dass er hier war und dass er tatsächlich
die Klingel betätigen wird.
Er wusste, dass sie sich
dahinter befand, denn er hatte es alles sorgfältig überprüft. Er
hatte alles getan, um ganz sicher sein zu können, dass er nicht
plötzlich vor der falschen Frau stand.
Er musste schmunzeln,
dachte an den Überwachungsskandal, der damals in aller Munde war.
Hätte er einfach die Geheimdienste angerufen, hätte er sie
schneller gefunden. Doch das war jetzt unwichtig. Er hatte sie
gefunden. Sie trug einen anderen Namen, hatte geheiratet, zwei
Kinder. Ob sie ihnen von ihm erzählt hat? Aber was sollte sie gesagt
haben?
Vor 32 Jahren, war er
plötzlich verschwunden. Weg! Er war in den Urlaub gefahren, in die
Schweiz, hatte sich zuvor noch einige Adressen mitgeben lassen. Für
Postkarten, wie er damals gesagt
hatte. Doch es kamen keine Postkarten. Er hatte es alles geplant,
hatte gespart und recherchiert. Hatte über Jahre den Plan
geschmiedet, nun würde er ihn aufgeben.
Er hatte sich damals
geschworen, niemals zurück zu kehren, hatte sich selbst umgebracht.
Hatte Georg Strömer umgebracht. Hatte ihn in die Schweiz geschickt.
Dort war aktive Sterbehilfe legal. Er hatte dafür gesorgt, dass
seine Verwandten einen Brief bekamen, in dem stand, warum er dies
tat, dass er es nicht mehr aushielt, dass ihm alles zu viel war. Die
Falschheit der Welt, der Menschen, aller Menschen. Er hatte sogar
eine Urne mit Asche zu dem Haus schicken lassen, in dem er
aufgewachsen war. Er hatte Georg Strömer umgebracht und Gregor
Schmidt ins Leben gerufen, hatte viel Geld bezahlt und Kontakte
spielen lassen. Immer mit bedacht darauf, dass möglichst wenige
davon mitbekamen. Dann war Georg weg und Gregor ging nach Australien,
Amerika, Irland, führte seinen Plan aus.
Wie oft er schon in
dieser Stadt gewesen war, ohne dass es jemand mitbekam. Sein Gesicht
hing überall. Plakate, darunter ein Datum, ein Ort, ein Ticketpreis.
Nicht selten waren die Plakate überklebt: Ausverkauft.
So oft war er hier, so oft hatte sie seine Musik im Radio gehört,
bestimmt. Ob sie gemerkt hatte, dass er es war? Ob sie an ihn gedacht
hatte? Hatte sie vielleicht sogar eine seiner CD' s in ihrem Regal zu
stehen?
Er
betätigte die Klingel. Nach einer Weile, öffnete sich die Tür und
da stand sie. „Hallo Schwesterherz...“
Lüge!
Er ist nicht da, war nie wieder dort, war abgehauen. Gregor Schmidt,
war in Australien, Amerika, Irland, hatte Musik gemacht, hatte es
nicht geschafft. Hatte all sein Geld verloren, sein Ziel aus den
Augen verloren, war verzweifelt. Er wollte zurück doch er wusste,
dass er ihnen nie wieder in die Augen schauen könnte. Er hatte sie
alle getäuscht, enttäuscht. Er hatte versucht etwas aus sich zu
machen, hatte angefangen zu arbeiten, trug Zeitungen aus, half auf
Baustellen, ging auf Hochsehfischer, schließlich auf einen
Walfänger. Geld hatte man ihm versprochen. Und nun, war er hier. Im
ewigen Eis. Er wollte sie besuchen, doch diese Möglichkeit würde er
wohl niemals wieder bekommen. Wie oft hatte er sich vorgestellt, wie
es wäre, wenn er zurück kehren würde. Doch er war hier, gefangen.
Das Schiff, eingefroren. Die Maschinen, ausgefallen. Die Mannschaft,
ein Großteil an Board bereits gestorben, bereits vor dem Crash. Der
andere Teil, hatte ihm vertraut. Drei waren mit einem Beiboot
weggefahren, auf seinen Befehl, um Hilfe zu holen. Doch sie kamen
nicht wieder, waren vermutlich auch schon tot. Er wartete trotzdem
auf die Hilfe, inmitten seiner toten Kameraden, dachte er an die, die
er verlassen hatte. Er hatte Georg Strömer getötet, nun kam es
zurück. Nun starb er, Gregor Schmidt. Und Georg Strömer, der noch
tief in ihm steckte, starb endgültig. Und die Wahrheit über ihn,
über seinen Plan, über seinen Misserfolg. In der Ferne, ein Licht.
Es ist weit weg, kam jedoch näher. Doch er, Georg Strömer auch
bekannt als Gregor Schmidt, würde es nicht mehr das Land erreichen
sehen.
Victor
Ian Clockwork
10.12.13
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