Die nächsten Tage verbrachte
Aaron in einem Zustand ständiger mentaler Erschlaffung. Sein Körper
funktionierte wie automatisch, sein Geist war auf Standby geschaltet.
Er nahm seine Umwelt wahr und reagierte auf sie, dachte jedoch nicht
über sie nach. Ein wacher Geist will beschäftigt sein. An passenden
Beschäftigungen mangelte es ihm jedoch. Also betäubte er seinen
Geist, ließ sich vom steten Rhythmus seiner Schritte einlullen und
verbrachte den ganzen Tag in einer Art geistiger Starre, während
sein Körper mechanisch weiterlief. Erst abends, wenn er sein
Nachtlager aufschlug, begann sein Verstand sich langsam wieder zu
regen. Dann saß er beim Essen, sah über die weite Landschaft und
dachte all die Gedanken, die den Tag nicht ausgefüllt hätten, den
Abend jedoch umso wertvoller machten. Er dachte an all die Menschen,
die sein Leben bis vor wenigen Tagen bestimmt und ausgefüllt hatten.
An all die Orte, die er wiedersehen wollte, wenn er erst aus dieser
Einöde heraus wäre. Er trauerte um Erik. Und ziemlich häufig
dachte er auch über die merkwürdigen Umstände seines Hierseins
nach, über die Gründe für das, was ihm passiert war.
Noch immer hatte er nicht
herausfinden können, wie die Geschehnisse zusammenhingen. Was Eriks
Mörder zum Beispiel mit seinem Opfer und dessen Freundin zu schaffen
hatte. Warum Elisa nicht aufgetaucht war. Was überhaupt der Grund
für diese Fahrt ins Nichts gewesen war.
Und am allerwichtigsten: Was er
noch zu befürchten hatte.
Außerdem machte er sich
dauernd Gedanken um die zweite Person, die er auf dem Schneemobil des
Mörders gesehen hatte. Wer mochte das sein? Handelte es sich um eine
ganze Gruppe von Leuten, mit denen Erik irgendwie Ärger bekommen
hatte? Aber warum war der Zweite dann nicht mit hineingegangen, um
den Job gemeinsam mit dem anderen zu erledigen? Selbst, wenn sie von
Aarons Anwesenheit nichts gewusst hätten, wäre es für sie doch
sicher besser gewesen, eine Überzahl zu schaffen...?
Schließlich musste sich Aaron
jedes Mal eingestehen, dass das, was er wusste, einfach nicht
ausreichte, um weitergehende Schlussfolgerungen zu ziehen. Es brachte
nichts, sich immer wieder den Kopf darüber zu zerbrechen. Davon
mehrte sich sein Wissen auch nicht. Das Einzige, was er machen konnte
war, nach seiner Rückkehr, die er in seinen Gedanken als gegeben
hinnahm, auch wenn er sich dessen eigentlich nicht so sicher wahr,
Nachforschungen anzustellen und so herauszufinden, was es mit diesem
eigenartigen Urlaub auf sich hatte. Und wo Elisa abgeblieben war.
Kam er auf diese Gedanken, was
jeden Abend früher oder später passierte, so drehte er sich ein
paar Mal gedanklich im Kreis, hüllte sich dann resigniert in seine
Decken und ging schlafen.
Die Wanderungen, die seine Tage
ausfüllten, hatten beträchtlich an Glanz, aber auch an Schrecken
verloren. An die enormen Anstrengungen hatte sich Aaron nach ein paar
Tagen einigermaßen gewöhnt. Nicht, dass die ganze Sache ihm jetzt
Spaß gemacht hätte, aber der Muskelkater blieb bald aus und gegen
die abendliche Erschöpfung half eine Nacht Schlaf.
So wenig Aaron tagsüber
nachdachte, seine Fortschritte bemerkte er schon. Er war dem Wald
inzwischen ziemlich nahe gekommen. Lange konnte es nicht mehr dauern,
bis er endlich da war, und es stimmte ihn zuversichtlich, dass er
diese erste Etappe seiner Reise so gut wie geschafft hatte. Bis dahin
wollte er weiterhin nach Möglichkeit jeder Gefahr aus dem Wege
gehen. Er war sich bewusst, auf der weiten weißen Fläche wie auf
dem Präsentierteller einherzuspazieren, meilenweit zu sehen. Daran
ließ sich nichts ändern, aber soweit es in seiner Macht stand
wollte er die Gesellschaft anderer Lebewesen, ausgenommen natürlich
Menschen, meiden. Um Tierfährten machte er immer einen großen
Bogen, selbst, wenn es sich nur um die Spuren irgendwelcher Vögel
oder anderer Kleintiere handelte. Wo harmlose Tiere unterwegs sind,
so dachte er sich, war der beste Platz für gefährlichere, sich auf
die Lauer zu legen.
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