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Dienstag, 13. Januar 2015

Kälte. Folge 12: Befreiung

Das klingt doch nach...
Der Plane!
Jetzt wurde Aaron langsam klar, was passiert sein musste. Am Abend hatte er die Plane über seinen Unterschlupf gespannt. In der Nacht musste es noch einmal kräftig geschneit haben. Der Schnee hatte sich auf der Plane gesammelt und sie schließlich zum Absturz gebracht. Wie es aussah hatte er nur deshalb noch etwas Luft, weil er direkt an der Schneewand gelegen hatte, die dem Wind zugewandt war, und weil die Plane an dieser Seite gehalten hatte. So war ein dreieckiger kleiner Schneetunnel vom Eingang in seine Zuflucht an der Schneewand entlang bis zum anderen Ende übrig geblieben, nach oben hin begrenzt von der nunmehr schräg zwischen Boden und Schneemauer gespannten Plane. Reines Glück, dass er gerade hier gelegen hatte. Weiter in der Mitte wäre er vermutlich unter den Schneemassen erstickt.
Vorsichtig prüfte Aaron noch einmal die Beweglichkeit seiner einzelnen Körperteile. Viel war nicht zu machen. Die Plane hatte sich samt Schnee auf ihn gesenkt und sich seinen Körperkonturen zumindest so gut angepasst, dass nicht mehr als ein paar Zentimeter Bewegungsspielraum blieben. Zusätzlich wurde er von der dicken Schneekleidung behindert, in der er geschlafen hatte. Das letzte, was man sich wünscht, wenn man von allen Seiten so eingeklemmt ist, dass man sich kaum bewegen kann, ist dicke Kleidung, die schon den Gedanken an eine Verbesserung der Lage durch Nutzung der wenigen Freiräume absurd erscheinen lässt. Andererseits wäre er wohl ohne die dicken Sachen längst erfrohren. Vielleicht doch besser so.
Aaron kämpfte gegen die Panik, die wieder in ihm aufsteigen wollte. Die vielleicht schlimmste Folter für ihn war diese Situation absoluter Hilflosigkeit. Er wusste, dass er dieses Gefühl nicht zulassen durfte, verbot es sich, um nicht mit panischen Reaktionen die Chancen zu verspielen, die er noch hatte.
Schließlich hatte er sich soweit im Griff, dass er ruhig über seine Lage nachdenken konnte. Zunächst prüfte er vorsichtig, wie schwer die Schneemassen eigentlich waren, die ihn bedeckten.
Schwer.
Zu schwer.
Den Gedanken, die Plane samt Schnee einfach wegzuheben, konnte er vergessen. Er überlegte weiter. Überprüfte noch einmal alle möglichen Bewegungen. Den größten Spielraum hatten noch seine Füße. Die Plane hatte sich so über sie gespannt, dass ein kleiner Zwischenraum blieb. Wenn er jetzt... Er versuchte, die Hacken einzustemmen und sich durch heranziehen der Zehen ein Stück nach vorn zu schieben. Nein, so ging es nicht. Die Kraft reichte nicht aus. Wenn er aber zusätzlich die Schultern...
Eine Weile lang probierte Aaron herum, bis er endlich eine Möglichkeit fand. Wenn er zusätzlich zu der Arbeit mit den Füßen auch die Schultern hochzog, die Ellenbogen in den Boden stemmte und sich dann mit der Kraft seiner Schultern abdrückte, kam er tatsächlich voran. Nicht viel, nur zentimeterweise, aber auf diese Art kam er dem leuchtenden Fleck, der das Ende des Planen- und Schneedachs und damit den Ausgang markierte, zumindest näher. Verbissen arbeitete er weiter, entwickelte einen Rhythmus, der ihn Stück für Stück dem Licht näher brachte.

Als er mit dem Kopf ins Freie vorstieß und endlich den Himmel wieder sehen konnte, machte er eine Pause. Jetzt, so viel wusste er, war er gerettet.

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