MVJstories

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Dienstag, 6. Januar 2015

Kälte. Folge 10: Unterkunft und Nachtmahl

Er hätte wohl noch lange so dagestanden, gelähmt von der überwältigenden Pracht, wenn nicht der eiskalte Wind, der gegen Abend aufgefrischt war, ihn zum frösteln gebracht hätte. Solange er in Bewegung war, machte ihm der Wind nicht viel aus. Er war rundherum dick in seine warmen Wintersachen eingepackt, so dass nur Teile seines Gesichts tatsächlich der Kälte ausgesetzt waren, was sich leicht durch die körperliche Betätigung ausglich. Wenn er aber nur so herumstand, krochen mit der Zeit eisige Schauer von seinem Gesicht abwärts über seinen Körper, und keine noch so warme Kleidung hielt sie auf diesem Wege auf. Er musste sich dringend einen Windschutz für die Nacht verschaffen!
Aaron stellte den Rucksack ab und begann, eine kreisförmige Fläche rundherum freizutrampeln. Dann begann er, auf dem oberen Rand der so entstandenen Mulde Schnee aufzuhäufen, den er gegen den Wind etwas festklopfte.
Genau genommen hatte er keine Ahnung, ob seine Art, sich einen Windschutz zu bauen, dem entsprach, was ihm Polarforscher und Survival-Spezialisten geraten hätten. Er hatte sich sogar schon fast mit dem Gedanken abgefunden, früher oder später unweigerlich einen entscheidenden Fehler zu machen, der ihn letztlich das Leben kosten würde. Seine Vorstellung eines guten Rastplatzes in Eis und Schnee wurde noch immer maßgeblich von den kümmerlichen Iglu-bau-Versuchen seiner Kindheit beeinflusst.
Als Aaron die errichtete Schneewand hoch genug erschien, breitete er die mitgebrachte Plane darüber und beschwerte deren Ecken ebenfalls mit Schnee. Im Inneren der so entstandenen Hütte ließ er sich schließlich zu einem kargen Abendbrot nieder. Neben Trockenfleisch gab es dieses Mal allerdings auch ein Stückchen Orange. Er hatte genügend Halbwissen über die Ernährung bei Abenteuern wie dem seinen angesammelt, um sich vor gewissen Vitamin-Mangelerscheinungen zu fürchten, auch wenn er keine Vorstellung davon hatte, wie viel Obst welcher Art er wie oft zu sich nehmen musste, um seine Ernährung ansonsten auf Trockenfleisch und Wasser beschränken zu können. Da ebensowenig wusste, wie lange seine Wanderung noch dauern würde, konnte er sich seine Orangen nicht in regelmäßige Portionen einteilen. Er würde eben ab und zu etwas davon essen und hoffen, dass sein Körper das Beste daraus machte. Und, dass er nicht auf der Hälfte seiner Reise plötzlich ohne Obst dastehen würde. Wenn es überhaupt Sinn machte, sich darüber Gedanken zu machen. Vielleicht brauchte er ja für die Zeit seiner Wanderung gar kein Obst. Vielleicht fingen die Mangelerscheinungen erst nach Monaten an, wenn er entweder längst eine Siedlug erreicht hatte, oder bereits erfroren war.
Aaron fröstelte. Er beendete seine Mahlzeit, wickelte sich samt seiner dicken Kleidung in die Decken, die er mitgenommen hatte, und schloss die Augen, um wenigstens den Versuch zu machen, in dieser lebensfeindlichen Umgebung etwas Schlaf zu bekommen. Würde sowieso nicht klappen. Er würde hier liegen, anfangen zu frieren, vor Kälte kein Auge zubekommen und schließlich frustriert das Lager abbrechen, um dann...

Einen Moment später war er, erschöpft von den Strapazen des Tages, eingeschlafen.

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