Eine Weile lang saß Aaron
einfach nur so da und betrachtete die Bäume, die ihn umgaben. Er
kannte sich da nicht weiter aus, aber dass es sich um Nadelbäume
handelte, konnte er sehen. Groß, schlank und augenscheinlich
stachelig waren sie. Und grün. Dunkelgrün, zumindest die Kronen.
Aaron konnte sich an dieser Farbe nicht satt sehen. Es waren nur ein
paar Tage gewesen, die er durch den Schnee gestapft war, aber seine
Fantasie hatte sie zu Wochen und Monaten gedehnt und so war es ihm
tatsächlich, als wache die Natur nach einem langen Winter endlich
wieder auf und die ersten Zeichen des Frühlings ließen sich sehen.
Nun gut, dachte er sich, einen Unterschied gab es da doch noch.
Normalerweise war es der Frühling, der zu ihm kam. Dieses Mal ging
er in Richtung Frühling.
Kurz musste er zurückdenken an
diese ersten Eindrücke der scheinbar unendlichen schneebedeckten
Landschaft, die ihn vor nicht einmal zwei Wochen so beeindruckt
hatten. Damals hatte er überlegt, ob der Winter vielleicht dazu da
sei, die Augen der Menschen etwas zu entspannen, da er ja alle
aufregenden Konturen und Formen unter einer unauffälligen weißen
Decke verbarg. Jetzt hingegen spürte er, dass seine Augen die
Herausforderung brauchten, die Farben, die Formen, all das, was die
Welt lebendig erscheinen ließ. Wie muss es einem Blinden gehen,
fragt er sich. Nimmt er den Unterschied zwischen Sommer und Winter so
wahr wie ich? Spürt er also auf irgendeine Weise die Entspannung der
Sinne? Werden die Menschen im Winter vielleicht leiser? Überrascht
stellte er fest, dass er darauf nie geachtet hatte. Der Sehsinn bekam
für gewöhnlich fast seine gesamte Aufmerksamkeit, was dazu führte,
dass ihm Veränderungen, die die anderen Sinne betrafen, kaum bewusst
wurden. Auch im Rückblick konnte er sich nicht ganz darüber klar
werden, ob die Welt im Winter stiller wurde. Die Natur bestimmt.
Viele Tiere hielten Winterschlaf, verschiedene Vogelarten zogen nach
Süden... Aber wie sah das im Stadtleben aus? Wurde der Mensch im
Winter ruhiger, vielleicht nachdenklicher? Oder musste ein Blinder in
der Stadt damit leben, dass sein Wahrnehmungsapparat keine Ruhepause
bekam, dass der Lärm sich zwar unterschied, aber stets den gleichen
Pegel behielt?
Schließlich löste Aaron sich
von diesen Gedanken, die ihn doch nicht weiter brachten, und stand
auf. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich den Rest des Tages über
auszuruhen, aber er brachte es nicht fertig, die ganze Zeit still zu
sitzen und schließlich, so dachte er bei sich, war ein kleiner
Spaziergang durch den Wald, bei dem er gleich nach geeigneten Ästen
für den Schlitten, den er zu bauen versuchen wollte, Ausschau halten
konnte, nicht wirklich anstrengend und konnte nach den tagelangen
strapaziösen Wanderungen gut und gerne als Erholung durchgehen. So
begann er, die nähere Umgebung zu durchstreifen und sich nach
Baumaterialien umzusehen.
Als es dunkel zu werden begann,
hatte er die Idee eines Schlittens verworfen. Mehrere Äste und
Zweige verschiedener Durchmesser, teils mit dem Messer bearbeitet,
teils zerbrochen, die in weitem Kreis um ihn herumlagen zeugten von
seinen zahlreichen Versuchen, jeweils einige von ihnen mittels
Bindfaden zu einem stabilen, trag- und gleitfähigen Gestell zu
verbinden. Ebenso zeugten sie von seinem Scheitern.
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