MVJstories

MVJstories ist ein Blog, auf dem eine kleine Gruppe junger Schriftsteller Auszüge aus ihren Werken veröffentlicht. Feedback ist ausdrücklich erwünscht. Und nun viel Spaß beim lesen!

Freitag, 30. Januar 2015

Kälte. Folge 17: Übers Wasser gehen

Im Moment versuchte er sich jedoch an etwas anderem. Er hatte einen elastischen Zweig gebogen, bis es möglich war, Schnüre zwischen die beiden Enden zu spannen. Genau das tat er nun, kreuz und quer verliefen die Fäden und bildeten ein dichtes Netz. Die Idee, sich auf diese Art Schneereifen zu bauen, war ihm schon am Anfang seiner Wanderung gekommen. Nun sollte sie in die Tat umgesetzt werden.
Die Idee war simpel. Wenn er sich das fertige Konstrukt unter die Füße schnallte, würde er eine größere Auftrittsfläche haben und somit sein Gewicht besser verteilen. Wenn seine Eigenkreation funktionierte, sollte das ein Einsinken im tiefen Schnee verhindern und seine restliche Wanderung so um einiges leichter machen.
Schließlich war das erste Exemplar fertig. Gespannt setzte Aaron es auf den Schnee und anschließend vorsichtig seinen Fuß darauf. Ganz allmählich belastete er sein Werk mit mehr und mehr von seinem Gewicht, bis er schließlich auf einem Bein auf dem Schneereifen stand.
Es funktionierte!
Die ganze Konstruktion senkte sich minimal in den Untergrund, der Fuß, der in der Mitte des geknüpften Netzes stand, ein bisschen mehr, aber von einem Einsinken bis zum Knie konnte keine Rede mehr sein. Sicherheitshalber setzte Aaron sich auch noch einmal den Rucksack auf und probierte es erneut, aber auch mit dem zusätzlichen Gewicht war der Effekt enorm. Mit einem Lächeln auf den Lippen stellte er den Rucksack wieder ab, setzte sich daneben und machte sich daran, einen zweiten Schneereifen zu bauen.
Als er fertig war herrschte um ihn herum bereits vollständige Finsternis. Er brachte an jedem der beiden fertigen Schneereifen noch ein paar Riemen an, mit denen er sie sich an die Füße binden konnte. Dann probierte er, damit zu laufen. Es war sehr ungewohnt, aber es ging. Der einzige Nachteil war, dass die Schnüre, die ihm zur Verfügung standen, nicht die festesten waren. Besonders die Feuchtigkeit des Schnees würde ihnen auf die Dauer zusetzen und der Abrieb durch den Kontakt mit seinen Schuhen und dem Rahmen würde enorm sein. Er würde also nicht umhinkönnen, die Schneereifen alle paar Tage neu zu spannen. Da sein Vorrat an Schnüren alles andere als unbegrenzt war, konnte es passieren, dass er irgendwann zu Ende ging und er wieder auf die gleiche anstrengende Art würde laufen müssen, wie er das bis hierher getan hatte. Aaron zuckte die Schultern. Bis dahin würde er schon ein gutes Stück vorangekommen sein und da er nichts an diesem Problem ändern konnte, lohnte es sich auch nicht, sich weiter damit zu beschäftigen.

Er kehrte zu seinem Rucksack zurück, aß eine Kleinigkeit und baute sich sein Nachtlager. Dafür wählte er den Platz direkt unter einem der Bäume. In der Schneegrube, die er sich gegraben hatte, geschützt von der Krone des Baumes und von den schlanken Stämmen, die ihn umstanden, fühlte er sich fast so sicher wie zuhause. Nur dass er dort wohl kaum die schwere Schneekleidung anbehalten hätte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen