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Dienstag, 3. Februar 2015

Kälte. Folge 18: Der zweite erste... Schritt

Am nächsten Morgen wurde Aaron sehr unsanft geweckt. In der zweiten Nachthälfte hatte es leicht zu schneien begonnen. Gegen Morgen beugte sich ein Ast des Baums, unter dem er lag, unter der in den letzten Stunden stetig angewachsenen Masse des Schnees und ließ diese auf den Schläfer herniederregnen. Das meiste zerstäubte auf dem weiten Weg von der Baumkrone bis hinab zum Boden und verteilte sich so sanft über die nähere Umgebung, aber eine ordentliche Ladung traf ihn auch im Gesicht, was ihn erschrocken hochfahren ließ und ihm außerdem einen kleinen Schreckensschrei entlockte. Als er sah, dass es um ihn herum noch dunkel war, wollte er sich erst wieder hinlegen, aber dann bemerkte er den leichten Schimmer, der sich am Horizont bildete, und beschloss, den Tag dieses Mal doch schon vor Sonnenaufgang zu beginnen. Als die ersten Strahlen die schneebedeckte Landschaft streiften saß Aaron unter den Bäumen und genehmigte sich ein Frühstück.
Bevor er allerdings wieder aufbrechen konnte galt es, die richtige Richtung herauszufinden. Zu diesem Zweck suchte er die Stelle am Waldrand auf, an der die Spur im Schnee zu erkennen war, die er auf seiner bisherigen Wanderung zurückgelassen hatte. Wie ein langes Band zog sie sich durch die weiße Landschaft, einen leichten Bogen beschreibend und immer wieder durch die leichten Hügel verdeckt, die für diesen Landstrich charakteristisch waren. Aaron betrachtete die Spur einen Moment lang und dachte an die zurückliegenden Tage und seinen Weg von der kleinen Blockhütte bis hierher zum Wald. Ein langer und beschwerlicher Weg, voller Kälte, Anstrengungen, Entbehrungen... Allein, wie oft er sich nach abwechslungsreicherem Essen oder einem Bad gesehnt hatte!
Dann sah er auf den Kompass und bestimmte eine Route, die von der bisher gegangenen im stumpfen Winkel abging. Darüber hatte er sich vorher oft den Kopf zerbrochen. Welche Richtung sollte er einschlagen, wenn er erst den Wald erreicht hatte? Er wusste nicht, wo genau die nächste Ansiedlung zu finden war... Schließlich hatte er sich entschieden, zunächst einfach nach Süden zu gehen. Irgendwo im Süden mussten Menschen sein, wie weit es auch immer dahin war. Eine Ahnung sagte ihm, dass das Dorf, von dem aus er mit dem Schneemobil aufgebrochen war, leicht westlich von seiner jetzigen Position lag, also würde er versuchen, etwas mehr in Richtung Westen zu tendieren, als nach Osten, aber letztlich war es reine Glückssache, ob er den Ort fand. Diesen oder irgendeinen anderen.
Schließlich holte Aaron seinen Rucksack, schnallte sich die improvisierten Schneereifen unter die Füße und kehrte zum Waldrand zurück. Noch einmal blickte er zurück auf seine Spur. Dann drehte er sich um in Richtung Zukunft. Dies war die Richtung, in der er Rettung zu finden hoffte. Fast meinte er schon, die eigene Spur vorgezeichnet sehen zu können, wie sie sich durch den tiefen Schnee gen Süden wand. Gestärkt durch die erfolgte Bewältigung der ersten Etappe seiner Wanderung begann er die zweite wesentlich zuversichtlicher. In einem Punkt jedoch war der zweite Teil eine exakte Wiederholung des ersten.

Er begann mit einem ersten Schritt.

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