Langsam senkte sich die Nacht
über die weiße Ebene. Mit einem beeindruckenden Farbenspiel
verschwand die Sonne hinter dem Horizont. Ein hellblauer Streif blieb
zurück, wurde schmaler und schmaler und ging schließlich in ein
tiefes Blauschwarz über. Nur das Licht des Mondes erhellte noch die
Erde. Aaron blieb stehen und sah sich um. Er hoffte, irgendwo in der
Ferne ein Stück hellen Himmel zu sehen, wie er dort entsteht, wo in
Ortschaften des Nachts viele Lichter brennen, die leuchtende Korona
der Zivilisation als Wegweiser für einsame Wanderer im dichten
Schnee, aber es war nichts dergleichen zu erkennen. Der Horizont
blieb dunkel. Nur die Tatsache, dass der Schnee das helle Mondlicht
reflektierte, war dafür verantwortlich, dass er um sich herum
überhaupt etwas erkennen konnte. Auf Hügelkuppen und an den Hängen
der fernen Berge fing sich das Licht im Schnee und gab der Landschaft
ein fast schon magisches Aussehen. Aaron hob den Blick.
Und konnte ihn minutenlang
nicht von dem lösen, was er nun sah.
In seinem bisherigen Leben
hatte er schon oft den Sternenhimmel gesehen. Schon einige Male war
er andächtig stehen geblieben, weil ein wolkenloser Himmel ihm einen
Blick auf die Sterne gewährte, der ihm an Klarheit und Tiefe
unübertrefflich schien. All dies hatte sich jedoch in der Stadt
abgespielt, oder doch zumindest ganz in ihrer Nähe. In dicht
besiedelten Gebieten konnte man noch so lange suchen, ja, man konnte
tatsächlich den einen oder anderen Platz finden, der einem wirklich
stockfinster und gleichzeitig vollkommen klar vorkam, so dass man ihn
für einen idealen Ort hielt, um den Sternenhimmel zu bewundern. Was
Aaron jedoch hier erblickte, ließ alles, was er bisher gesehen
hatte, in seiner Erinnerung verblassen. Weit und breit gab es keinen
Menschen, der störendes Licht hätte produzieren können. Fast noch
schwerer wog allerdings ein Umstand, dem er bislang kaum Bedeutung
beigemessen hatte, der ihm aber jetzt um so deutlicher auffiel. Es
gab keine Abgaswolken. Keinen Rauch, keine Staubpartikel in der Luft.
Die Dunstglocke, die die dicht besiedelten Flächen seiner Heimat
stets und ständig gefangen hielt, war hier nicht vorhanden. So
breitete sich über ihm ein Lichtermeer unvorstellbaren Ausmaßes
aus. Fasziniert blieb Aaron stehen und tauchte ein in das regungslose
Schauspiel, dieses so lebendige Standbild, das sich seinen Augen bot.
Es war, als hätte irgendjemand beschlossen, den Raum um ihn herum in
eine vieltausendfache Festbeleuchtung zu tauchen. Aaron stand im
Schnee, viele viele Kilometer weit von jeder menschlichen Behausung,
und fühlte auf einmal ganz deutlich die Weite der Welt um sich
herum. Er spürte, wie der Raum zu jeder Seite offen war, dass in
jeder Richtung nichts lag als die Unendlichkeit. Andächtig hielt er
still, beobachtete die feinen Wölkchen, die sein Atem bildete,
atmete die klare, kalte Luft, von der seine Lunge fast schon
schmerzte und fühlte sich als Teil der Welt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen