MVJstories

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Montag, 15. Dezember 2014

Kälte. Folge 4: Ein Ende. Ein Anfang?

Ein paar gebrüllte Worte.
Dann der Schuss.
Für Aaron war es der Startschuss. Als habe er nur auf diesen Moment gewartet rannte er nach draußen, schwang sich auf das Schneemobil, mit dem er gekommen war und versuchte, zu starten. Es ging nicht. Der Kerl musste das Ding sabotiert haben. Schnell sprang Aaron ab und versteckte sich hinter einer Schneewehe. Jetzt schnell das Handy hervorkramen und Hilfe holen... Aber wo war das Handy? Er musste es verloren haben. Aaron wimmerte vor sich hin. Der fremde Mann kam aus dem Haus. Er sah sich kurz um, entdeckte wohl auch Aarons Spuren im Schnee, schien aber nicht viel Lust zu haben, ihnen zu folgen. Er schien aber mit der Möglichkeit zu rechnen, dass er beobachtet wurde. Jedenfalls zog er – Aaron sog scharf Luft ein, als er es sah – das verlorene Handy aus der Tasche, sah sich noch einmal um, als vergewissere er sich der Aufmerksamkeit seines Publikums, entfernte dann den Akku, brach schließlich das ganze Gerät in der Mitte durch und ließ die Einzelteile in den Schnee fallen. Schließlich verschwand er hinter der Hütte. Aaron hörte einen Motor aufjaulen und im nächsten Moment kam ein zweites Schneemobil hinter der Hütte hervor und raste in Richtung der nächsten Ortschaft davon. Er und... war das eine weitere Person auf dem Schneemobil?
Erst einige Minuten später fiel Aaron auf, dass er nicht dort draußen hocken bleiben konnte. Er musste nach Erik sehen! Er sprang auf, lief hinunter zu der Hütte, riss die Tür auf, die zu der kleinen Schlafkammer führte...
Die Einrichtung war unbeschädigt. Nichts deutete auf einen Kampf hin. Nichts, bis auf die Blutlache, die den halben Fußboden bedeckte und der Mann, der auf dem Bett saß, den Rücken an die Wand hinter sich gelehnt, und dessen Augen eben, im Angesicht seines erschrockenen Bruders, brachen. Die Hände, die sich auf die Wunde in seine Bauch gepresst hatten, lösten sich. Ein Finger zuckte und die Augenlider flatterten. Danach nichts mehr. Einzige Bewegung und einziges Geräusch zugleich war das vom Bett auf den Boden tropfende Blut. Aaron drehte sich um, lief aus dem Haus und erbrach sich in den Schnee.

Auch jetzt hatte er wieder einen schlechten Geschmack im Mund. War es seine Schuld, dass es so weit gekommen war? Hätte er dem Drängen seines Bruders nachgeben sollen, schon am Abend seiner Ankunft wieder zurückzufahren? Dem Wunsch des Bruders vertrauen, die Gründe später erforschen? Und einfach losfahren, in die Dunkelheit hinein? Irgendwie hätten sie den Weg schon gefunden. Hätte er dieses Ende verhindern können?
Noch einmal sah er in die toten Augen, stellte sich dem Blick, der leer war, und ihm trotzdem direkt aus dem Jenseits zu kommen schien. Schließlich wandte er sich um und kehrte zurück in das andere Zimmer, das Reich der Lebenden in diesem Blockhaus. Des Lebenden.

Er wollte weg hier. Nur noch weg von diesem schrecklichen Ort, aus der Erinnerung löschen, was hier geschehen war, ungeschehen machen, was er sein Leben lang nicht würde vergessen können. Aaron stellte sich ans Fenster. Der Schneesturm war etwas schwächer geworden. Die Frage blieb die selbe.

Gehen oder bleiben?

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