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Dienstag, 23. Dezember 2014

Kälte. Folge 6: Überall Schnee...


Das Gehen gestaltete sich schwerer, als er es sich vorgestellt hatte. Bei jedem Schritt sank er fast bis zu den Knien in den Schnee. Bereits nach wenigen Minuten musste er stehen bleiben, um wieder zu Atem zu kommen. Er blickte zurück. Eine Spur zerwühlten Schnees markierte seinen Weg. In wenigen hundert Metern Entfernung stand die Blockhütte. Auf der anderen Seite schien der Wald noch kein Stück näher gekommen zu sein. Aaron aber keuchte schon wie nach einem längeren Dauerlauf. Aber es half nichts. Er musste hier weg. Und durch diesen Schnee in Richtung Süden zu laufen war die einzige Möglichkeit, diesen Ort zu verlassen, die sich ihm bot. Missmutig machte er sich wieder auf den Weg.
Neben dem Schnee gab es noch andere Dinge, die Aaron auf seiner Wanderung erheblich behinderten. Das eine war der Rucksack. Nicht, dass an dem Rucksack an sich etwas schlecht gewesen wäre. Im Gegenteil, der Rucksack war eine große Hilfe, da er durch verschiedene Bänder und Schnallen das Gewicht des Gepäcks gut auf Rücken und Schultern verteilte. Leider blieb das Gepäck dabei allerdings genauso schwer. Beim ewigen Kampf durch den Schnee hätte Aaron sich gewünscht, nicht auch noch zehn bis fünfzehn Kilo Ausrüstung mit sich herumschleppen zu müssen. Wie das meiste, was Aaron mit sich führte, hatte der Rucksack seinem Bruder gehört. Aaron selbst hatte nicht damit gerechnet, eine Survival-Ausrüstung zu brauchen. Er hatte vorgehabt, Erik zu helfen, so schnell es ging, und dann sofort wieder den Heimweg anzutreten. Das einzige von seinen momentanen Besitztümern, was wirklich ihm gehörte, war daher die Kleidung, die er am Leib trug.
Diese Kleidung war das zweite Problem. Klar, er brauchte die dicken Sachen, um bei den extrem niedrigen Temperaturen nicht zu erfrieren, aber bei Anstrengungen wie dieser Wanderung kamen einem Gedanken an die Beweglichkeit und Leichtigkeit eines T-Shirts verlockend vor, vollkommen egal, wie kalt es um einen herum war.
So wanderte Aaron nun einige Stunden. Etwa alle zehn Minuten machte er kurz Pause, um zu Atem zu kommen. Er war eigentlich kein unsportlicher Mensch und wenn die letzten Tage ihm auch psychisch alles abverlangt hatten, was er zu bieten hatte, so konnte von körperlichen Herausforderungen doch keine Rede sein. Er war gut ausgeruht und ertappte sich manchmal sogar dabei, wie er für den einen oder anderen Moment vergaß, warum er eigentlich hier war, und die Bewegung geradezu genoss.

Mit der Erkenntnis, kurz abgeschaltet zu haben, kam allerdings auch immer wieder der Gedanke an die Bedeutung dieser Wanderung. Es ging um Leben und Tod. Kein harmloser Winterspaziergang, keine Abenteuer-Bergwandertour, nicht mal die Aktionen naturverliebter Extremsportler konnten hiermit mithalten, denn letztere hatten sich zumindest angemessen vorbereitet und eine Ausrüstung dabei, von der sie wussten, dass sie ihnen genügen würde. Außerdem hatten sie Ahnung von dem Gebiet, in das sie gingen. Nichts davon konnte Aaron von sich behaupten. Seine Chancen, das fiel ihm immer wieder ein, waren alles andere als gut. Und dabei ging es bei diesen Chancen nicht einmal um die Ziele eines Extremsportlers, um irgendeinen Rekord oder so, sondern nur um das einfachste, das grundsätzlichste Ziel, das man sich setzen konnte: das eigene Überleben.

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