Lang, lang ist diese
Geschichte her. Damals im wilden Osten, wo ein Mann nichts besaß als
seinen Colt. Viel mehr zählte für solche wie mich auch nicht. Keine
Frau, keine Kinder, keine Freunde, kein Geld. All das, sollte sich
mit der Erfindung von Postkutschen-Überfällen ändern. Plötzlich
hatte ich eine Zugehörigkeit, einen Job. Ich hatte Freunde,
besonders in Magdetown, wo man uns feierte, denn wir waren nicht nur
zahlende Barbesucher, sondern kurbelten auch sonstige Geschäfte an.
Zum Beispiel besorgten wir dem Zimmermann regelmäßig Aufträge,
wenn wir mal wieder jemanden umgelegt hatten. Zudem, waren wir die
einzigen Leute, die sich ein Hotelzimmer mieteten, kurbelten die
Waffenindustrie an und halfen, dass bei der Betriebserweiterung einer
Tabakplantage. Alles in allem, waren wir gute Menschen.
An dem Abend von dem ich
erzählen möchte, saß ich in der Kneipe, die Tasche voll mit Geld
vom letzten Überfall. Am nächsten Morgen sollten mich meine
Kumpanen abholen, mit denen ich dieses Ding gedreht hatte. Mein
Pferd, welches ich aufgrund der schwarzen Flecken auf seinem sonst
weißem Fell, Black genannt hatte, war mit ihnen unterwegs, weshalb
mir nichts anderes übrig blieb, als diesen Abend in der Kneipe zu
verbringen. Ich hatte bereits einige Whiskey getrunken und mindestens
doppelt soviel Bier, als ich vor die Tür trat. Dafür gab es zwei
Gründe: Erstens war der Barkeeper der Kneipe TheHardCore eine
Ratte, die mich schon um eine Menge Geld betrogen hatte, und ich
wollte mich ungern mit ihm unterhalten. Zweitens, vernahm ich von
draußen ein weniger gutes, leises Mundharmonikaspiel. Ich trat also
vor die Tür. Der Zimmermann, Mr. Room, stand ebenfalls draußen. Ich
stellte mich zu ihm und sagte: „Der muss wohl noch ein bisschen
üben.“
Ich trank einen Schluck
aus meinem Glas und spuckte eine Fliege aus, die in dem Bier
ertrunken war. Dann sah ich zu Mr. Room, welcher mich erschrocken
anstarrte: „Weißt du denn nicht wer das ist?“ fragte er „Das
ist blowing Moe! Hast du nie von ihm gehört?“
Ich schüttelte den Kopf:
„Nein, nie gehört.“
„Mein Gott! Ich
verstehe ja, dass ihr Banditen nicht viel Sinn für Kultur habt, aber
blowing Moe sollte man kennen!“
„Ach wirklich?“
Fragte ich. Ich begann mich für diesen Mundharmonikaspieler zu
interessieren, der scheinbar besser war als es mein Ohr zu hören
vermochte.
„Er hat früher auf den
größten Bühnen des Ostens und angeblich sogar im Westen gespielt.
Er hat mit seinem Mundharmonikaspiel ganze Massen von Menschen
bewegt, auf seinen Konzerten, sind Frauen in Ohnmacht gefallen,
andere haben von einer Sekunde auf die andere ihre Männer verlassen.
Man erzählt sich sogar, dass Männer ihre Frauen für ihn verlassen
haben sollen. Er hat Dinge gespielt, die Musikwissenschaftler damals
für unmöglich hielten. Er hat Musikgeschichte geschrieben, hat
Mundharmonikastücke geschrieben, die dem kaltherzigsten Menschen das
Blut auftauten und ihm die Tränen in die Augen trieben. Anfangs
wurde er ausgelacht. Es hier er könne nicht spielen und dann
verschwand er. Über Jahre ist er umher gereist, hat sein Spiel
verbessert und es, als er wieder kam, allen gezeigt... Jaja...
blowing Moe...“
Erst schaute ich den
Erzähler lediglich an. Ich wusste nicht genau, was ich von der
Geschichte halten sollte, geschweige denn, ob sie schon zu ende war.
Als ich mir schließlich zumindest letzterem sicher war, fragte ich:
„Und was ist dann passiert?“
Der Zimmermann schaute
eine Weile betreten zu Boden. Der Schrecken über meine Unwissenheit
in seinem Gesicht, schien sich mit Trauer zu mischen. Nachdem ich
auch noch eine zweite und dritte tote Fliege ausgespuckt hatte, und
begann mich zu fragen, ob Mr Room überhaupt noch wach war, setzte er
wieder zu erzählen an: „Dann,“ fuhr er fort, „passierte etwas
schreckliches. Kaum zu glauben, dass du davon noch nichts gehört
hast! Bei einem Konzert, mit einem Mundharmonikaorchester, verkrampfte
sich plötzlich die Zunge von blowing Moe. Alle waren erschüttert.
Alle schauten ihn mit erschrecken an, als sich die klaren Töne, in
schiefe, schrille verwandelten. Ich war damals als kleiner Junge auf
dem Konzert. Blowing Moe war mein Vorbild. Es versteht sich, dass ich
erst recht schockiert war. Doch Moe spielte weiter, gab nochmal
alles, spielte das beste Konzert seines Lebens, spielte unsagbar
viele Zugaben und übernahm sich bei den Soli so stark, dass das Blut
über sein Instrument floss. Am ende brach er zusammen. Es war
vorbei! Im Krankenhaus hieß es, er hätte das TTS, was soviel
bedeutet wie: twistet-tongue-syndrom. Mit der damaligen Medizin, war
es riskant und kostspielig dies zu heilen, doch für blowing Moe war
das kein Hindernis. Er ließ sich operieren, doch seither spielt er
nicht mehr wie früher...“
Mir fehlten die Worte
nach dieser bewegenden Geschichte. Ich war tatsächlich den Tränen
nah, schaute den gebrochenen Musiker an und dann seinen größten
Fan. Dann wandte ich mich zum gehen, doch seither, trage ich immer
eine Mundharmonika in meiner Tasche. Zum gedenken, an den großartigen
blowing Moe.
Victor Ian Clockwork
07.10.2013
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen