MVJstories

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Montag, 7. Oktober 2013

Die Geschichte von blowing Moe


Lang, lang ist diese Geschichte her. Damals im wilden Osten, wo ein Mann nichts besaß als seinen Colt. Viel mehr zählte für solche wie mich auch nicht. Keine Frau, keine Kinder, keine Freunde, kein Geld. All das, sollte sich mit der Erfindung von Postkutschen-Überfällen ändern. Plötzlich hatte ich eine Zugehörigkeit, einen Job. Ich hatte Freunde, besonders in Magdetown, wo man uns feierte, denn wir waren nicht nur zahlende Barbesucher, sondern kurbelten auch sonstige Geschäfte an. Zum Beispiel besorgten wir dem Zimmermann regelmäßig Aufträge, wenn wir mal wieder jemanden umgelegt hatten. Zudem, waren wir die einzigen Leute, die sich ein Hotelzimmer mieteten, kurbelten die Waffenindustrie an und halfen, dass bei der Betriebserweiterung einer Tabakplantage. Alles in allem, waren wir gute Menschen.
An dem Abend von dem ich erzählen möchte, saß ich in der Kneipe, die Tasche voll mit Geld vom letzten Überfall. Am nächsten Morgen sollten mich meine Kumpanen abholen, mit denen ich dieses Ding gedreht hatte. Mein Pferd, welches ich aufgrund der schwarzen Flecken auf seinem sonst weißem Fell, Black genannt hatte, war mit ihnen unterwegs, weshalb mir nichts anderes übrig blieb, als diesen Abend in der Kneipe zu verbringen. Ich hatte bereits einige Whiskey getrunken und mindestens doppelt soviel Bier, als ich vor die Tür trat. Dafür gab es zwei Gründe: Erstens war der Barkeeper der Kneipe TheHardCore eine Ratte, die mich schon um eine Menge Geld betrogen hatte, und ich wollte mich ungern mit ihm unterhalten. Zweitens, vernahm ich von draußen ein weniger gutes, leises Mundharmonikaspiel. Ich trat also vor die Tür. Der Zimmermann, Mr. Room, stand ebenfalls draußen. Ich stellte mich zu ihm und sagte: „Der muss wohl noch ein bisschen üben.“
Ich trank einen Schluck aus meinem Glas und spuckte eine Fliege aus, die in dem Bier ertrunken war. Dann sah ich zu Mr. Room, welcher mich erschrocken anstarrte: „Weißt du denn nicht wer das ist?“ fragte er „Das ist blowing Moe! Hast du nie von ihm gehört?“
Ich schüttelte den Kopf: „Nein, nie gehört.“
„Mein Gott! Ich verstehe ja, dass ihr Banditen nicht viel Sinn für Kultur habt, aber blowing Moe sollte man kennen!“
„Ach wirklich?“ Fragte ich. Ich begann mich für diesen Mundharmonikaspieler zu interessieren, der scheinbar besser war als es mein Ohr zu hören vermochte.
„Er hat früher auf den größten Bühnen des Ostens und angeblich sogar im Westen gespielt. Er hat mit seinem Mundharmonikaspiel ganze Massen von Menschen bewegt, auf seinen Konzerten, sind Frauen in Ohnmacht gefallen, andere haben von einer Sekunde auf die andere ihre Männer verlassen. Man erzählt sich sogar, dass Männer ihre Frauen für ihn verlassen haben sollen. Er hat Dinge gespielt, die Musikwissenschaftler damals für unmöglich hielten. Er hat Musikgeschichte geschrieben, hat Mundharmonikastücke geschrieben, die dem kaltherzigsten Menschen das Blut auftauten und ihm die Tränen in die Augen trieben. Anfangs wurde er ausgelacht. Es hier er könne nicht spielen und dann verschwand er. Über Jahre ist er umher gereist, hat sein Spiel verbessert und es, als er wieder kam, allen gezeigt... Jaja... blowing Moe...“
Erst schaute ich den Erzähler lediglich an. Ich wusste nicht genau, was ich von der Geschichte halten sollte, geschweige denn, ob sie schon zu ende war. Als ich mir schließlich zumindest letzterem sicher war, fragte ich: „Und was ist dann passiert?“
Der Zimmermann schaute eine Weile betreten zu Boden. Der Schrecken über meine Unwissenheit in seinem Gesicht, schien sich mit Trauer zu mischen. Nachdem ich auch noch eine zweite und dritte tote Fliege ausgespuckt hatte, und begann mich zu fragen, ob Mr Room überhaupt noch wach war, setzte er wieder zu erzählen an: „Dann,“ fuhr er fort, „passierte etwas schreckliches. Kaum zu glauben, dass du davon noch nichts gehört hast! Bei einem Konzert, mit einem Mundharmonikaorchester, verkrampfte sich plötzlich die Zunge von blowing Moe. Alle waren erschüttert. Alle schauten ihn mit erschrecken an, als sich die klaren Töne, in schiefe, schrille verwandelten. Ich war damals als kleiner Junge auf dem Konzert. Blowing Moe war mein Vorbild. Es versteht sich, dass ich erst recht schockiert war. Doch Moe spielte weiter, gab nochmal alles, spielte das beste Konzert seines Lebens, spielte unsagbar viele Zugaben und übernahm sich bei den Soli so stark, dass das Blut über sein Instrument floss. Am ende brach er zusammen. Es war vorbei! Im Krankenhaus hieß es, er hätte das TTS, was soviel bedeutet wie: twistet-tongue-syndrom. Mit der damaligen Medizin, war es riskant und kostspielig dies zu heilen, doch für blowing Moe war das kein Hindernis. Er ließ sich operieren, doch seither spielt er nicht mehr wie früher...“
Mir fehlten die Worte nach dieser bewegenden Geschichte. Ich war tatsächlich den Tränen nah, schaute den gebrochenen Musiker an und dann seinen größten Fan. Dann wandte ich mich zum gehen, doch seither, trage ich immer eine Mundharmonika in meiner Tasche. Zum gedenken, an den großartigen blowing Moe.



Victor Ian Clockwork
07.10.2013

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