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Mittwoch, 24. Juli 2013

Jack's Welt - Episode II



Erwachen

Von Mr. Big

Schwere und Dunkelheit umgaben ihn. Ein leises Pochen war zu hören, dumpf und nichtssagend. Klänge aus einer weitentfernten Sphäre, aus einer anderen Welt. Viel zu weit weg, um irgendeine Bedeutung zu haben.

Das gellend heiße Licht, das er zuletzt gesehen hatte, war wie ein illuminierter Fleck auf seine Netzhaut eingebrannt worden. Er konnte immer noch die Umrisse erkennen, und die Ausläufer dieses spinnennetzartigen Gebildes. Sie waren nicht sehr klar erkennbar, eher wie dunkle Risse auf einer schwarzen Granitplatte. Mehr noch wie eine in sich zusammengezogene Galaxie voller sterbender Sterne. All das lag vor ihm. Sonst sah er nichts. Auch Gefühle drangen nicht mehr bis zu ihm vor.

Das unaufhörliche Pochen war irritierend. Dann waren da diese Schwingungen, die von dem Fleck ausgingen. Er war gefangen in ihrem Rhythmus. Im Rhythmus der Schwingungen und des Pochens.

War es ein ihm bekannter Rhythmus? Irgendwie schon. Sagte zumindest sein Empfinden. Doch empfand er gerade überhaupt? Schwer zu sagen. Irgendwann aber war dieser Rhythmus wichtig für ihn gewesen. Er war so schön gleichmäßig und ruhig.  Dieses Poch…poch…poch…es ließ ihn entspannen. Man hätte ein Uhrwerk danach stellen können. Aber dafür hätte man ein Uhrwerk gebraucht und hier war nirgendwo eins zu sehen. Hier war überhaupt nichts zu sehen. Nur dieser Fleck, der Schatten eines Schattens, immer stetiger verblassend vor dem Hintergrund einer undurchdringlichen Schwärze. Nein, er wollte nicht mehr hier sein. Es war ihm unangenehm. Er wollte hinaus.

Eine Welle erhob sich. Ein elektrischer Impuls durchzog ihn und formte kleine Blitze auf seiner Netzhaut. Der Moment kam näher. Das Pochen beschleunigte sich rasant. Poch,poch,poch. Was vorher nur eine Taktgabe der Natur gewesen war, lief jetzt wie ein Motor auf Höchstleistung. Schneller, immer schneller, als drohe es jeden Moment zu explodieren.

Dann öffnete sich die Galaxie und gab einen Strahl gleißenden Lichts frei. Alles um ihn herum füllte sich mit Licht. Nur mit Mühe erlangte er sein Bewusstsein zurück. Er erwachte zum Leben. Durch einen Schleier schienen seine Augen nun die Einöde zu betrachten, die vor ihm lag. Dahinter kamen langsam Konturen zum Vorschein. Wände und Kacheln, grau und kalt. Ein Lagerraum. Wo war er bloß hineingeraten…

Als Adrian erwachte, wusste er nicht so recht, wo er war. Alles hier erschien ihm so fremd, aber zugleich auch so vertraut. Was er verschwommen durch seine Augen wahrnehmen konnte, erinnerte ihn an einen Ort, an dem Funktionalität großgeschrieben wurde. An der Wand hingen Pfannen und Töpfe. Daneben waren Messer und Klingen zu sehen, von der Länge her eher Urwald-  anstatt Esswerkzeuge. Gut ein Dutzend konnte er zählen. Direkt vor ihm, in unmittelbarer Nähe, war ein Waschbecken angebracht. Darunter befanden sich Regale mit Tellern. Links von ihm war eine äußerst massiv wirkende Tür. Noch ganz benommen versuchte er, einem rein menschlichen Impuls folgend, aufzustehen und wurde mit Nachdruck davon abgehalten. Kaum einen Zentimeter konnte er sich bewegen. Er war an einen Stuhl gefesselt, der im Boden verankert war.

„Was zum…“. Adrian schaute hinab. Dieser Stuhl, Typ IKEA – Wohnst du noch oder folterst du schon?,  war sein Thron und sein Gefängnis zugleich. Er versuchte die Hände zu bewegen, aber erkannte im gleichen Moment, dass sie taub waren, gefesselt an den Armlehnen. Na toll, ganz toll. Mit Erstaunen stellte er aber fest, dass die Füße frei waren. Nur die Schnürsenkel waren verknotet. Scheinbar war hier ein Witzbold am Werk gewesen.
Was war bloß passiert…an was konnte er sich noch erinnern? Er war auf Arbeit gewesen, ja. In einem Lagerraum wie dieser hier. Und er wollte etwas aus dem Schrank holen, als…

Er schrak zurück, das Bild erschien vor seinem inneren Auge. Die grobschlächtige Hand, die in seinem Sichtfeld erschien, von hinten nach ihm griff und ihm ein Tuch ins Gesicht drückte, erbarmungslos und unnachgiebig. Ihm wurde sofort schwindelig. Dann war alles schwarz. Und ab da alle Erinnerungen verschwunden.

Nun saß er hier, auf seinem Stuhl. Fast wie ein Paket, verschnürt und fertig zum Weitertransport. Nächste Station: Haus des Horrors. Aktueller Standort: Kammer des Schreckens. Yppie ya yeah Schweinebacke. Sein Gemüt schwankte zwischen Hysterie und Heulerei. Doch vielleicht ließ sich ja was machen.

Die Tür, der einzige Ausweg aus diesem Schlammassel, schien massiv und war höchstwahrscheinlich verschlossen. Die Klingen, die vor seinem Kopf baumelten, versprühten auch nicht gerade den Charme, der ihn zum Bleiben bewegte. Dennoch eine nette Küchendekoration, so unter anderem Umständen…

Er überlegte. Komm schon, Adrian, was würde James Bond tun? Das Waschbecken lag ein Stück weit hinter den Pfannen. Und die Messer wären eindeutig in Reichweite, würde er nicht auf diesem dummen Stuhl festhocken.

Hm, vielleicht wenn er...okay ein bisschen riskant, aber dennoch im Bereich des Möglichen. Zwar wär das auch für Hollywood neu, aber wann ausprobieren, wenn nicht jetzt?
Er begann behutsam seine Straßenschuhe auszuziehen. Ein gar nicht so einfaches Unterfangen, wenn man leicht benommen ist und in Fesseln liegt. Aber nach einer Weile war es geschafft. Die Schuhe lagen auf den Fließen. 

Ganz still saß er nun da. Seine Aufmerksamkeit lag voll und ganz auf seinen Füßen. Sie umschlangen den Knoten der beiden Schnürsenkel und wippten hin und her. Genau einen Versuch hatte er. Er musste sich lang machen. Dann holte er tief Luft. 

Mit einem Mal drückte er die Beine durch und schwang die Schuhe nach oben. In hohem Bogen flogen die Treter durch die Luft und vollführten eine Pirouette. Die Sohle erwischte das Steakmesser und beförderte es aus der Verankerung.

Adrian schreckte auf. Das Ding sauste in Richtung seiner Genitalien. Instinktiv machte er die Beine breit. Das Messer drang knapp unterhalb der Kronjuwelen mit seiner rostfreien Spitze in den Stuhl. Eine Schweißperle glitt ihm von der Stirn. Das war knapp. Um Haaresbreite hätte er seiner Freundin erklären müssen, wieso er „nur kuscheln“ jetzt doch gut findet.

Ein lautes Scheppern. Die Schuhe hatten eine Pfanne erwischt. Sie schlug auf den Fließen auf und sprang unbeholfen herum. Scheiße, jetzt musste er sich beeilen. Er schnippte mit seinem Fuß das Steakmesser vom Stuhl. Dann entledigte er sich seiner Socken und umklammerte den Schaft mit seinen Zehen. „Und eins, und zwei, und…“. Sehr ladylike schlug er die Beine übereinander und begann an den Fesseln seiner linken Hand zu sägen. Was für ein dickes Hanfseil. In der Ferne ertönten fremde Stimmen. 

Oh nein, nein. NEIN. Panik machte sich breit. Er sägte schneller. Seine Atmung beschleunigte sich immer mehr. Hinter der Tür hörte er Schritte.

Die erste Hand war frei. Doch sie hing zur Seite wie ein totes Stück Fleisch. Gänzlich ohne Gefühl, doch sie musste! Keuchend schwang er sie nach vorn. „Komm schon, du musst das Seil lösen. KOMM SCHON.“ Das Blut begann zäh und unerträglich langsam zu fließen, gefolgt von vielen kleinen Nadelstichen.

Es kam näher. Jemand machte sich an der Türverriegelung zu schaffen. Sein Peiniger! Mit dem Mut der Verzweiflung und befreite er seine Hand von der Schlinge und sprang vom Stuhl auf. Im nächsten Moment glitt die Tür zur Seite und ein Mann trat ein. Von der Statur ein echter Bulle. Es gab kein Vorbeikommen. Er hielt einen Dönerspieß in der Hand, der eindeutig länger war als sein Steakmesser und sah Adrian fest in die Augen.  

„Setz dich und halt die Klappe. Und keine Faxen.“

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