Als
Vivian zu sich kam, sah sie nichts. Sie musste
erst begreifen, dass ihre Augen geschlossen waren und ihre Augenlieder somit
das Licht abschirmten. Diese Gedankengänge kamen ihr selbstverständlich nicht
exakt so wie ich es hier beschrieben habe. Dafür waren ihre Gedankengänge noch
viel zu wirr und für sie selbst nicht steuerbar.
Als sie soweit wieder bei sich war, dass sie
wieder in der Lage war ihre Körperteile zu bewegen und sie beschloss, sich
hinzusetzen, musste sie feststellen, dass sie bereits saß. Ihre Beine an den
Boden, und ihre Arme an die Wand gekettet. Nur langsam wurde ihr bewusst, dass
James hinter ihren wirklichen Grund für ihr erscheinen gekommen war. Doch dass
Jerome sie mit dem Leben ihrer Familie erpresst hatte, wusste er nicht. Sollte
er wirklich ein so großes Herz haben, würde er dies vielleicht verstehen. Sie
musste ihm sagen was ihr echtes Motiv war und ihn dazu bewegen, sie gehen zu
lassen. Wenn sie Glück hatte, würde er auch ihrer Familie helfen. Dann könnte
sie ihre Mutter, ihre kleine Schwester und ihren kleinen Bruder endlich wieder
in den Armen halten. Ihre Schwester war doch erst vier und ihr Bruder gerade
mal 12. Und ihre Mutter… sie war schwer krank. Umso länger sie nachdachte, umso
mehr, kam ihr die Vermutung, der gutmütige Sir James von Grünlanden, würde sie
hier verrotten lassen. Sie wusste ja nicht einmal wie lang sie dort schon saß.
Vivian bekam Panik. Was wenn James in Wirklichkeit ein kaltblütiger Mörder war.
Immerhin, hatte er ja scheinbar kein Problem damit gehabt, sie zu vergiften, in
einen dunklen Raum zu befördern, welcher vermutlich ein Keller oder ähnliches
war und sie anzuketten. Wenn ein Mensch dauerhaft der Dunkelheit ausgesetzt ist
und noch dazu nicht in der Lage ist sich zu bewegen, wird er schnell mal verrückt.
Vivian‘ s Augen hatten sich in der Zwischenzeit an die Dunkelheit gewöhnt. Doch
dies machte es nur schlimmer denn nun konnte sie Dinge erkennen, die sie nicht
sehen wollte. Dabei waren Ratten und Spinnen noch das geringste Übel auch wenn
sie dadurch das Gefühl bekam irgendetwas würde an ihr herumkrabbeln. Und dies
ist schon unglaublich furchtbar, wenn man sich nicht bewegen kann.
Mich interessierte damals keineswegs was James mit
seinen Feinden machte. Und das war sie. Eine Feindin. Auch wenn sie wohl erhoffte
von James frei gelassen zu werden so war sie doch für alles selbst
verantwortlich.
Drei Tage ließ James sie dort unten liegen. Er
hatte zuvor bereits ein Brot und einen Kanister Wasser bereitgestellt. Doch
dies half ihr nur, falz sie herankam. Sonst war es nur zusätzliche Quälerei.
Und es reichte aus Ihr ganz und gar verrückt werden zu lassen. Ich muss ehrlich
sagen, ich hatte schon weitaus Willensstärkere Menschen gesehen. Welche, die
das Essen, währen sie ran gekommen in den Boden gestampft hätten und wenn James
dann endlich kam nicht zu Betteln dass er sie frei ließe. Es gab Leute, so
erzählte mir James, welche einen Monat ohne zu essen, zu trinken und ganz und
gar ohne zu sprechen ausgehalten hatten. Dann sind sie allerdings verreckt. Nun
muss man allerdings auch berücksichtigen, dass diese Menschen im tiefsten
Inneren einen Hass gegen James schürten. Miss Vivian hingegen arbeitete auf
Befehl und unfreiwillig. Doch James behandelte alle gleich. Er wollte jedem
eine zweite Chance geben. Vermutlich auch weil er nicht genug Leute hatte die
ihn unterstützten. Er brauchte allerdings geschickte Spione, Assassinen,
Auftragskiller, Kämpfer und so weiter. Was er nicht brauchte, war eine kaum 20
Jahre alte Göre, die nicht einmal selbst entscheiden konnte, gegen wen sie war.
James wollte keine Frau er hatte schon einmal eine verloren. Und das war wohl
der härteste Schlag, den er je abbekommen hatte. Ein Schlag, der noch heute
Narben zeigte. Man musste ihm lediglich in sein Gesicht schauen. In seinen
Augen stand Schmerz. Was mich anging,
ich hatte meine Begeisterung für Frauen irgendwann verloren. Vermutlich weil
sie nie begeistert von mir waren. Sie wollten einen reichen, schönen und vor
allem sauberen Mann. Und keinen verdreckten armen Abenteurer. Wenn ich mich
einmal wusch, dann unter freiem Himmel wenn es regnete und ich versuchte meine
einzige Liebe durch den Sturm zu Manövrieren. Doch ich schweife gerade ab.
Wie bereits gesagt, saß Vivian drei Tage in dem
Keller ohne dass James auch nur an sie dachte. Er wollte sich sein Leben nicht
unnötig verderben weil er sich um irgendeine Gefangene kümmern musste. Auch
sein Gewissen hatte er mit der Zeit gelernt auszuschalten. Und dieses blieb
erst einmal aus während er zu Vivian herunter ging.
„Guten Morgen Miss Vivian.“ Sagte er
„Guten Morgen?“
„Ja es ist 09:00 Uhr früh.“
„Man verliert schnell sein Zeitgefühl, wenn man
einfach nur gefangen ist.“
„Ich versichere ihnen Miss Vivian, es war genug
Zeit darüber nachzudenken warum sie Gefangen sind.“
„Ich habe nichts verbrochen. Sie haben mir ja
nicht mal die Chance gegeben.“
„Ach kommen sie. Währe es andersrum gewesen und
sie hätten mich vor etwas beschützen wollen, währen aber zu spät gewesen weil
ich bereits tot oder schon gewarnt gewesen währe, dann… ja dann
hätten sie gesagt: Es ist der Wille der
zählt. Und so ist es! Es ist der Wille der zählt!“
„Vielleicht war ich aber gar nicht bösen willens
hier, sondern aus Verzweiflung.“
„Sind sie dann wirklich besser als ich? Sie
bringen mich aufgrund von ihren persönlichen Problemen in Gefahr. Ich nehme sie
für meine persönliche Sicherheit gefangen.“
Vivian sagte nichts. Sie sah zu Boden. James sah
ihr in die Augen. Dies machte die meisten Leute endgültig verrückt. Dieser
starre Blick welcher nur auf sie gerichtet war und auf keinen anderen.
Nach einer Weile, lockerte James seinen Blick und
sagte: „Sie arbeiten also für Lord Jerome.“
Vivian sagte nichts und starrte weiter den Boden
an.
„Womit hat er sie erpresst?“
Vivian erschrak und sah James kurzzeitig
überrascht in die Augen. Dann sah sie wieder zu Boden. Diesmal aber betroffen:
„Er hat meine Familie gefangen genommen.“
„Und sie sollten besondere Informationen über mich
herausfinden um ihre Familie zu retten.“
„Ganz genau so.“
„Glauben sie mir, wenn ich sage, dass er dadurch
bestenfalls euch verschont hätte. Lord Jerome ist nicht gerade jemand der sich
an Abmachungen hält.“
Vivian schwieg. Nach einer Weile des Schweigens,
sagte James: „Ich werde ihre Familie da rausholen. Sie bleiben allerdings
vorerst noch hier.“
Dann wandte er sich um zu Henry welcher die ganze
Zeit hinter ihm gestanden hatte: „Mach ihre Arme Los, damit sie etwas essen und
trinken kann.“
Henry nickte und schloss die Handschellen auf.
Vivian rieb sich die Handgelenke und guckte Henry grimmig an. Sie machte auch
keine Anstalten sich auf das Essen zu stürzen. Doch sowohl Henry als auch James
wussten, dass es lediglich ihr Stolz war der nicht essen wollte während ihre Gastgeber noch im Raum waren. So wie sie
oben waren und die Tür hinter sich schlossen, würde sie anfangen zu essen.
Als James wieder in seinem Haus war, wandte er
sich an mich. Ich hatte ihn bisher lediglich manchmal kurz gesehen. Er hatte
mir ein Zimmer zu Recht machen lassen, mir noch einmal deutlich gemacht, dass
ich mich wie zu Hause fühlen sollte und sich in sein Arbeitszimmer
zurückgezogen. Er arbeitete da, aß da, schlief da und ich hatte keine Ahnung
was er tat, wenn er einmal auf Toilette musste.
Doch nach drei Tagen, wandte er sich an mich.
Nicht etwa mit Worten wie: So mein Freund
jetzt lass uns mal deinen Besuch feiern. Nein! Er begrüßte mich mit:
„Victor, ich habe einen Auftrag, bei dem du mir bitte behilflich sein
solltest.“
„Worum geht es denn?“ fragte ich „Du weißt ich
mach hier so zusagen Urlaub.“
„In diesem Haus ist Urlaub nicht sicher mein
Freund.“
„Na gut was soll ich über wen herausfinden?“
„Du sollst nichts herausfinden. Du müsstest bitte
die Familie von Miss Vivian aus der Gefangenschaft holen und mit Lord Jerome…
naja mach mit ihm was du willst. Du hast ja deine Methoden.“
„Das ist Wahnsinn! Du weißt wie es endet, wenn ich
jemanden befreien soll oder beschützen soll. Alles was sie bekommen, ist ein
schmerzloser Tod!“
„Du musst lediglich ihre Zelle öffnen und sagen: Jetzt seid ihr auf euch allein gestellt!“
„Und wo ist die Zelle?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht auf Lord Jeromes
Anwesen?“
„Ich tue mein bestes. Ich mach mich Morgen Nacht
auf den Weg.“
Ich stand auf und ging. Nicht auf mein Zimmer.
Nein ich ging zu meinem Luftschiff. Das heißt ich ging dahin wo ich wusste, dass
mein Luftschiff war denn es befand sich über den Wolken. Dort angekommen, rief
ich: „Me is Seal!“
Zurück kam die Antwort: „Wel Saal le me Ed!“ und
kurz darauf fiel ein Seil vom Himmel. Ich hielt mich fest, zog einmal kräftig
daran und das Seil wurde inklusive mir in das Schiff hineingezogen. Dieser
kleine Wortwechsel, bedeutete eigentlich nichts anderes als: Ich bin frei! und Lass Sonne in mein Herz! Es erscheint zwar sinnlos doch so begrüßen
sich die Luftbewohner wenn sie sich mal begegnen. Die Worte sind aus der alten
Sprache der Alchemisten und beruhen auf einer kleinen Anekdote in welcher ein
Alchemist versuchte sein Herz mit einer Eisenschicht zu umhüllen um sich vor
Gefühlen zu schützen und um nicht mehr verletzt werden zu können. Tatsächlich
fand er dann auch eine Möglichkeit dies zu schaffen und als er sein Herz in
Eisen eingeschlossen hatte und merkte dass es Funktionierte, rannte er auf die
Straße und brüllte in der Sprache der Alchemisten: „Ich bin frei!“ Doch nach
und nach, breitete sich eine Art Kälte in ihm aus. Er merkte was es bedeutete
nicht mehr fühlen zu können. Er lernte ein Mädchen kennen und konnte sie nicht
lieben! Er konnte nicht weinen, als sein Vater starb! Er verlor sämtliche
Begeisterung für sein Handwerk. Aufgrund dieser Tatsache, war er auch nicht in
der Lage das Eisen wieder zu entfernen. Er verzweifelte und aus dieser
Verzweiflung heraus, brüllte er: „Lass Sonne in mein Herz!“
Zuletzt, war er so verzweifelt, dass er sich
eigenhändig sein Herz entfernte. Weiter ist nichts von diesem Mann bekannt.
Auch das Luftvolk entsagte vielem und dies machte
sich auch gelegentlich bemerkbar. Dieser kleine Dialog, bedeutet, dass Freiheit
seinen Preis hat. Von uns spricht niemand die Sprache der Alchemisten sondern
jeder seine eigene. Überhaupt findet man in der Luft nicht viele Alchemisten,
da diese auf Ingredienzien angewiesen sind. Und die wenigsten wachsen in der
Luft. Obwohl es heißt, ein guter Alchemist bräuchte nichts für einen Trank.
Doch dafür muss man wahrscheinlich schon sehr gut sein.
Auf dem Luftschiff angekommen, schauten mich erst
einmal viele hoffnungsvolle Gesichter an. Ich versammelte all diese Gesichter
um mich und sagte: „Dieser Aufenthalt wird doch etwas länger.“ Enttäuschung
machte sich breit „Ich gebe euch voraussichtlich eine Woche Urlaub. Den könnt
ihr verbringen wie immer ihr wollt.“ Die Gesichter erhellten sich. Einige
packten alles von Wert ein was sie persönlich besaßen, und verließen das
Schiff. Ich ging in die Waffenkammer und begann mir herauszusuchen was ich
benötigte. Was ich benötigte, waren Rauchbomben, kleinere Brandbomben, eine
Schusswaffe und ein Messer. Letzteres hatte ich allerdings immer bei mir. Rauch-
und Brandbomben fanden sich schnell wir hatten immer welche auf Reserve und
jeder bei uns konnte so etwas Basteln. Nun die Tatsache, dass die Crew drei
Tage nichts zu tun hatte und allgemeine Langeweile herrschte, bedeutete dass
Bomben gebaut wurden, Waffen gesäubert und Kugeln gegossen. Ich hatte eine
tolle Crew.
Die Wahl einer anständigen Schusswaffe war immer
schwer. Sie musste klein aber effektiv sein. Meist entschied ich mich für einen
einfachen Revolver. Eher klein als
effektiv.
Als ich grade wieder nach dem Revolver greife,
tippt mir jemand auf die Schulter: „Das wird nicht gut gehen Clockwork.“ Sagt
Leon zu mir.
„Was wird nicht gut gehen?“ frag ich
„Der Auftrag von James. Ich hab ein böses Gefühl
dabei als würde diese Geschichte schwere Zeiten für uns bedeuten.“
„Ich werde es überleben!“ sag ich mit Nachdruck
„Wenn du darauf bestehst. Aber es bedeutet
Schwierigkeiten das verspreche ich und ich werde dir folgen.“
„Meinetwegen. Zu zweit ist immer sicherer. Also
bitte, Wir gehen Morgen Abend los.“
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